: Hamster in Zement
Eine 1-Gigabyte-Balladevon Kay Sokolowsky
Uwe Dröner, Fotograf, ist circa Mitte dreißig, strebsam stets, bestimmt bemüht und vor allem fleißig. Doch manchmal füllt ihn Bitternis, und er wird bärbeißig: „Wer sagt nie nee? Verweigert nix? Macht mit bei jedem Scheiß? Ich“.
Träume hatte er wie jeder von Ruhm und Glanz und Größe. Das ist perdu. Für schnödes Geld, für warme Semmelklöße, für Senf und Schinkenkrustenbrat gibt er sich die Blöße, verfertigt Bildersondermüll, täglich ganze Stöße.
Product Pictures jeden Tag: Töpfe, Kannen, Pfannen, oft mit Ölfilm aufpoliert. Und die blöden Pannen beseitigt das Entwicklungsbad. Aber wann begannen die Tricks, das Kataloggewichs und die Handelsspannen
In seinem Werk ihr Regiment? Dröner hat‘s vergessen. „Ich bin Helmut Newton nicht. Köstliche Komtessen,mit Stiefeln nur bekleidet, beschattet von Zypressen, sind meine Sache leider nicht. Tjaaa. Das ist gegessen.“
Spricht er zu sich selbst. Das Tagwerk ruft nach Dröner. Denken hilft ihm jetzt nicht mehr. Das wär ja auch noch schöner. Ein Auftrag, gut betucht, verlockt ihn. „Ich bin ein Tagelöhner“, erfährt der Assistent vom Chef. Ab jetzt wird es obszöner.
Das Atelier im Morgenlicht: schräg durch Deckenfenster hineingestrahlt, ein grauer Glast. „Ein Ort wie für Gespenster“, grunzt Dröner, und: „Ein Schritt zum Ruhm“ – grinst leicht und ergänzt er.Der Assistent blickt sorgenvoll. „Schon gut, du Abstinenzler!“
Schreit der Fotograf und schnauft. „Was steht denn auf dem Zettel?“ Der Assi schiebt ein Blatt Papier. „Aha! Ein neuer Bettel“, schnarrt Dröner, liest: „Ach – IBM.“ Er möchte aufs Toilettel. „Ich will das nicht. Ich mag es nicht. Ich bin doch keine Vettel!“
(Divenlaune), denkt der Helfer und entschnürt das Säckchen, (jeden Tag der gleiche Kack!). Im Säckchen steckt ein Päckchen, ein Schriftzug obenauf: „Gebt Acht! Die Ware lebt!“ Und Bäckchen, weiß und fuchschwanzrot behaart, dazwischen schwarze Fleckchen,
Furchtsam glitzernd: Augenknöpfe; Näschen, rosa bebend: „O! Ein Hamster“, staunt der Hiwi, „ein Hamster, sogar lebend!“ Herr Dröner stutzt: „Ein Nagetier? Nein! wie herzerhebend … Was soll der Quatsch? Ich weiß von nichts.“ Doch am Päckchen klebend
Steht geschmiert in schmalen Worten: „Ecki heißt der Racker, goldig ist er, schlau, auch allerliebst. Uwe, sei kein Macker und bring den Ecki heftig raus! Es lohnt nicht das Gegacker. Hier ‘s der Chip, hier die Idee, der Rest ist Frucht und Acker.
Gruß: Beate Mattheson. PR-Sonder-Seniorfrau.“ Der KnipseSchaut die Worte und wird wach. „Ach, verdammt, der Schwips!“ Er zieht die Lippen kraus. „Am Donnerstag … WO war nur mein Grips!“ Er nickt dem Assi. „Hoch den Arsch. Da liegt der Chip. Und gib mir mal den Gips her!“
Ecki, grad zwei Hand breit lang, zittert auf dem Tisch. Sein Schnauzhaar Sträubt sich wie die Kompassrose. Denn mit viel Geschnarr und -knarr Naht ihm Uwe Dröner. „Prima, Baby, alles klar“, Knurrt der Fotograf, „bleib cool, entspann dich!“ Ja, und da
Packt der Bildner sein Objekt, schmiert Schnellgips an die Pfoten, pustet trocknend nach und leimt, ein Knecht verrohten modernen Medienungemachs, ein Bruder von Kojoten, ein dumpfer Diener greller, gemeiner Euro-Noten,
Das zage Tier auf blaue Pappe. Ecki zuckt und spuckt ein wenig. Aber Dröner schert sich nicht; denn nun ist er König in seinem Reich des falschen Scheins. Und er plärrt eintönig: „Lächeln, Baby, Spannung, los doch, sonst entwöhn ich
Dich vom Kokain, du Nuss!“ Ecki muss es dulden, wie der Assistent in seine butterweiche Mulden eine Speicherkarte drückt. Wert: rund tausend Gulden. So wird zur Schand des Tieres das schmähliche Verschulden
Eines Menschen: Uwe Dröner, Fotograf. Und das Versagen dieses Herrn, sein schwacher Mut, sein klammes Klagen ob ausgelassner Chancen: Sie alle, alle tragen bei zur Schmach von Ecki Hamster. Es müsste an den Kragen
Diesem saubren Manne gehen. Aber so ist nicht die Zeit. Stattdessen leidet für ein lächer-, liederliches Gigabyte an Datenspeicherplatz der kleine Ecki. Gotteslosigkeit durchschwebt das Studio des Herrn Dröner. Endlos weit
Sind WWF, die UNO, Nato und Frau Bärbel Höhn. Wieder einmal hat kein Aas die Not der Kreatur gesehn.So muss als Newton-Nutte beim Herrn Dröner Ecki stehn, mit Schnellzement bei Fuß geleimt. Nein, das ist nicht schön.
Später aber, als der Assi die Sache sacht bereinigt und Hamsters Gipsentfernung mit Q-Tips sanft beschleunigt, werden Mensch und Tier ganz wundersam vereinigt; und okay ist auch das Bild; zuletzt, beaugenscheinigt.
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