: Der Feind im eigenen Haus
Bei der Hauptversammlung der Springer-Aktionäre sucht Kirch den Konflikt – und stellt Schadenersatzansprüche an den Vorstand und an Friede Springer persönlich
BERLIN taz ■ Bevor die Bombe platzte, schien alles recht erfreulich auf der Hauptversammlung der Springer-Aktionäre: Wer Absperrungen und Metalldetektoren passiert hatte, den empfing im 18. Stock des Springerhochhauses ein kleiner Kiosk, an dem die illustren Produkte des Axel Springer Verlages (ASV) kostenlos auslagen. Zeitungen wie Bild oder Welt, Zeitschriften wie Hörzu oder Maxim – das „Kerngeschäft“, das nach den Worten von Vorstandschef Matthias Döpfner natürlich weiter ausgebaut werden soll. Der Verlag sei „finanziell gesund“, für „nötige Investitionen“ müssten keine Kredite aufgenommen werden, die Flaute im Anzeigen- und Rubrikengeschäft sei durch Sparprogramme und Fusionen bestens abgefedert – die Mehrzahl der Aktionäre hörte das über Lautsprecher, während sie in der Lounge Erbsensuppe und Fleischspießchen verputzte. Wer nicht gerade speiste, der meldete Ansprüche an: Er wolle, so ein Aktionär, dass ihn die Welt mit seinem „Doktor“ anspreche. Er wünsche, dass Springer seinen Umsatz um 50 Prozent steigere. Und er fordere entschieden ein Ende des Terrors auf der Welt. Aha.
Ein anderer Großaktionär aber saß derweil auf dem Podium, direkt neben Verlegerwitwe Friede Springer, und schien entschlossen, seine Rechte mit allen Mitteln zu vertreten: Leo Kirch, mit 40 Prozent Anteil am ASV auch Aufsichtsrat, meldete über seinen Anwalt Ronald Frohne Schadenersatzansprüche gegen „sämtliche Mitglieder des Vorstands“ sowie Friede Springer an. Springer hatte im Frühjahr eine Verkaufsoption für seine Anteile an Kirchs ProSiebenSAT.1 Media AG im Wert von fast 800 Millionen Euro ausgeübt und damit die Finanzkrise im Hause Kirch erheblich verschärft. Damit habe der Vorstand seine Pflichten gegenüber der Gesellschaft und den Aktionären verletzt und sich allein von den Interessen von Frau Springer leiten lassen. Denn: Hätte der ASV an seinen Beteiligungen festgehalten, so wäre die Bilanz weit besser ausgefallen – auch für Kirch. Statt dessen sei es, so Frohne, nur darum gegangen, „Kirch loszuwerden“.
Zuvor hatte Döpfner mehrfach betont, die Ausübung der Verkaufsoption habe ausschließlich den wirtschaftlichen Interessen des Verlages gedient. Eine Alternative habe es nicht gegeben: „Der Axel Springer Verlag hatte kein Interesse an der Schwächung der Kirch-Gruppe.“ Anderslautenden Meldungen, der ASV müsse nun rund 800 Millionen Euro abschreiben, war Döpfner entschieden entgegengetreten.
Mit der Erklärung Frohnes kam es dann doch zum erwarteten Schlagabtausch zwischen Kirch und dem Verlag, in den er sich jahrelang sukzessive eingekauft hatte – und der mit der Wahrnehmung seiner Verkaufsoption den Anfang vom Ende des Medienmoguls besiegelt hatte.
Ob sich der Verlag weiterhin im TV-Bereich engagiere, hänge von der Entwicklung der nächsten Monate ab, so Döpfner. Entweder könne man mit dem Heinrich-Bauer-Verlag und „den Banken“ eine marktführende Position erreichen – durch Einkauf in die KirchMedia nämlich –, oder man werde sich ganz aus dem Fernsehgeschäft zurückziehen. Gerade mal sechs Sekunden Beifall konnte Döpfner für seine Rede einstreichen. ARNO FRANK
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen