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Blut für die Bank

Neue Protestform unter dem rot-roten Senat: 109 Künstler und Kulturschaffende spenden Blut für die marode Bankgesellschaft und protestieren damit gegen die Sparpolitik des SPD-PDS-Senats

von RICHARD ROTHER

Zwar macht es sich Johannes Heisig auf einem Bett bequem, doch schaut er ein wenig ängstlich, als Schwester Rosa die Kanüle in seinen linken Arm piekt. Für die Angestellte der Charité ist das Routine, für den bildenden Künstler nicht: Er spendet Blut. Aber nicht nur. Denn die 20 Euro, die der Künstler für seinen Lebenssaft kriegt, gehen direkt in einen Spendentopf für die marode Bankgesellschaft.

Acht Betten der Charité waren gestern Nachmittag kreisförmig im Foyer des Martin-Gropius-Baus aufgestellt. Darauf tapfer Politpromis wie Sibyll Klotz von den Grünen und Exsenatorin Adrienne Goehler. Während vis-à-vis der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) im Abgeordnetenhaus den Sparkurs des Senats verteidigt, erklingen im Foyer des Ausstellungshauses solenne Geigentöne. Den Künstlern, die hier ihr Blut lassen, ist es wahrlich ernst. „Die Kultur nimmt ihre ureigenste Aufgabe wahr und rettet die Wirtschaft“, sagt einer. Ausdrücklich kein Protest gegen den Sparsenat, unter dem auch die Künstlerszene leidet, kein Jammern und kein Fordern soll die Aktion „Blutbank/Benefiz für die Bankgesellschaft Berlin“ darstellen. Der „politisch-medizinische Vorgang“ solle lediglich „auf der Höhe des Zynismus der Ereignisse“ ein Zeichen setzen, meint Roland Brus, Mitorganisator der Blutbank-Aktion, Regisseur und bildender Künstler.

Der Versuch, so viel Geld wie möglich für die marode Bank zusammenzukratzen, sieht durchaus überzeugend aus. Immerhin 109 Blutspender haben sich im Laufe des Nachmittags zusammengefunden, unterstützt von zahlreichen Trostspendern. Unter den Spendern sind der Intendant des Deutschen Theaters, Bernd Wilms, der Volksbühne-Dramaturg Karl Hegemann und der Direktor der Schaubühne Jürgen Schitthelm.

Die Spendenaktion ist perfekt organisiert: Die Blutspende-Fragebögen der Charité („Gehen oder gingen Sie der Prostitution nach?“) liegen zahlreich aus, am Rand des Foyers führen Ärzte und medizinisches Fachpersonal die notwendigen Voruntersuchungen durch. Nur was mit den durch die Nutzung künstlerisch-medizinischer Synergien eingenommenen 2.180 Euro geschieht, ist noch unklar. „Das Geld gehört auf die Bank“, sagt Blutbank-Organisator Brus. Die Bankgesellschaft habe aber noch keinen Vorschlag für einen Übergabetermin unterbreitet. Brus: „Das verstehe ich nicht, das Geld muss doch arbeiten.“

Aber nicht nur im Martin-Gropius-Bau inspirierte die Sparpolitik die Bürger. Am Morgen versammelten sich rund 200 Betreuer und Betroffene aus Psychiatrie-Projekten am Anhalter Bahnhof. Sie protestieren gegen die Einsparungen im ambulant-psychiatrischen Bereich. Schließlich ist die ambulante Betreuung psychisch Kranker menschlicher und auch billiger als die Heimunterbringung. Nun sei sie gefährdet, sagt Reinald Purmann. Der Mann vom Paritätischen Wohlfahrtsverband ist sauer auf den Senat: „Bei den Schwachen sind sie stark, aber bei den Starken schwach.“

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