KATHOLIKEN UND BÜNDNISGRÜNE KOMMEN SICH IMMER NÄHER
: Gemeinsame Wurzeln, wiederentdeckt

Ach, sie hatten was, diese unseligen Hirtenbriefe, mit denen katholische Bischöfe vor Bundestagswahlen kaum verdeckt zur Wahl der C-Parteien aufriefen und die damals noch neuen Grünen verteufelten. Am Ende wirkten solche Appelle nur noch wie lächerliche Relikte längst vergangener Zeiten – Zeiten, da Thron und Altar noch eins waren. Dieser Hintergrund aber ist es, der die „politische Erklärung“ des Zentralkomitees der deutschen Katholiken“ (ZdK) zur Bundestagwahl so brisant macht: Sie zeigt einen Kulturbruch an.

Nun waren die Laien in der Kirche nie mit den Oberhirten gleichzusetzen. Gleichwohl zeigt sich in dem Papier, wie nahe sich mittlerweile Bündnisgrüne und engagierte Nicht-Priester gekommen sind. Die ZdK-Erklärung atmet den Geist, ja oft den Duktus des kleinen Koalitionspartners – wichtige Schlagworte wie „Nachhaltigkeit“, „Gewaltvorbeutung“ und „Verteilungsgerechtigkeit“ stehen dafür.

Kein Wunder also, dass der bündnisgrüne Fraktionschef im Bundestag, Rezzo Schlauch, fast euphorisch auf das Papier reagiert. Dass es so weit kommen konnte, liegt zum einen daran, dass sich sowohl Grüne – etwa die Abgeordnete Christa Nickels – wie die katholischen Laien und Bischöfe schon in der Endzeit der Ära Kohl umeinander bemühten, auch der Machtpolitik wegen. Im Laufe der Legislaturperiode ging aber die Annäherung durch gleiche oder zumindest ähnliche Interessen weiter, etwa bei Fragen der Gentechnik, der Nord-Süd-Problematik und vor allem der Zuwanderung. Hinzu kam Empörung über die Spendenaffäre der Union und manche neoliberalen Anwandlungen bei der Christ-Union.

Die schleichende Entfremdung zwischen den C-Parteien und Katholiken ist das Resultat eines gesellschaftlichen Trends. Das traditionelle katholische Milieu der alten Bundesrepublik stirbt aus. Und zugleich findet ein Teil der Grünen, die durch die christliche Friedens- und „Dritte Welt“-Bewegung zu der Ökopartei gekommen sind, zu ihren Wurzeln zurück. Das erinnert ein wenig an die biblische Geschichte vom Sohn, der zu seinem Vater zurückkehrt, nachdem er das Erbe verprasst hat. Beide haben sich dabei verändert: Sohn und Vater. Es ist eine schöne Geschichte. PHILIPP GESSLER