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„Es wurden viele Fehler gemacht“

Heute vor drei Jahren hat die Queen das schottische Parlament eröffnet. Die Politikprofessorin Alice Brown aus Edinburgh findet seine Struktur demokratischer als die des britischen Parlaments, zieht aber dennoch eine nüchterne Bilanz

Interview RALF SOTSCHECK

taz: Vor drei Jahren hat Schottland eine Teilautonmie und das erste Parlament seit 300 Jahren erhalten. Innerhalb weniger Wochen war die neue Institution beim Volk unten durch. Mögen die Schotten ihr Parlament nicht?

Alice Brown: Es sind viele Fehler gemacht worden. Die Abgeordneten haben sich zuallererst die Diäten erhöht, und die Kosten für das neue Parlamentsgebäude haben sich vervielfacht. Deshalb haben sich die Medien, die die Teilunabhängigkeit zunächst unterstützten, schnell gegen sie gewandt. Es gab fast täglich irgendwelche Klatschgeschichten und Skandälchen, über die ausführlich berichtet wurde, was nicht weiter verwunderlich ist, wenn man bedenkt, dass 160 politische Journalisten im Parlament akkreditiert sind, es aber nur 129 Abgeordnete gibt.

Aber es gab doch auch handfeste Skandale, wie etwa den Zugang zu Ministern und Abgeordneten gegen Geldspenden.

Ja, das hat dem Parlament sehr geschadet, weil die Leute sagten, es habe sich ja gar nichts geändert, es ist alles genauso korrupt wie vorher, als wir von London aus regiert wurden.

Hat sich denn wirklich etwas geändert?

Die Regierung hat eine ganz andere Struktur als in London, weil es hier keine zweite Kammer wie das Oberhaus gibt. Die Ausschüsse haben eine viel größere Bedeutung, denn sie sind dem Volk rechenschaftspflichtig. Im Bildungsbereich holen sie die Meinung der Schüler, der Studenten, der Eltern und des Lehrpersonals ein, um herauszufinden, welche Art Bildungssystem Schottland will. Und so ist es in anderen Bereichen auch. Die Ausschüsse können ihre eigenen Gesetzesinitiativen ergreifen. Es ist viel demokratischer als das britische House of Lords, denn die Wähler können an diesem Prozess direkt teilnehmen.

Welche wichtigen neuen Gesetze sind bisher verabschiedet worden?

Das Parlament musste sich anfangs vor allem damit beschäftigen, eine saubere Trennung von der britischen Gesetzgebung zu schaffen. Dazu wurden in den ersten Jahren allein 50 Gesetze verabschiedet. Jetzt sind es weniger, jetzt kann man endlich Prioritäten setzen, wie zum Beispiel bei der Altenpflege, beim Transportwesen, im Bildungsbereich, bei der Landreform.

Labour hat auch angekündigt, die Repräsentation von Frauen in der schottischen Politik zu verstärken. Als Margaret Thatcher 1979 an die Macht kam, hatte Schottland eine einzige Frau ins Unterhaus gewählt. Wie ist es im Edinburgher Parlament?

Bei der Labour Party herrscht im Parlament Parität, insgesamt sind 37 Prozent der Abgeordneten Frauen. Manche bekleiden sogar Ministerposten. Drei von ihnen wurden neulich auf dem Weg ins Parlament von einer alten Frau angesprochen. Ob sie Abgeordnete seien, wollte sie wissen. Die drei Frauen bejahten stolz. Da sagte die alte Frau: „Dann richtet gefälligst eure Frisuren anständig, das sieht ja furchtbar aus.“ Die Parlamentarierinnen haben es nicht leicht. Sie müssen sich gegen Beamte durchsetzen, die es nicht gewöhnt sind, Anordnungen von Frauen um die 30 entgegenzunehmen.

Ist die schottische Labour Party denn auch ihren Ruf als Schmuddelpartei losgeworden? Früher gab es ja Vetternwirtschaft, dunkle Finanzgeschäfte und vor allem Streit untereinander.

Das kann sich die Partei nicht mehr leisten, weil sie in einer Koalitionsregierung mit den Liberalen ist. Und die Liberalen mussten lernen, plötzlich Regierungsverantwortung zu übernehmen. Es waren schwierige drei Jahre, zumal Premierminister Donald Dewar im Jahr 2000 überraschend gestorben und sein Nachfolger im vorigen Jahr zurückgetreten ist. Das Parlament existiert erst seit drei Jahren, aber wir haben schon den dritten Premierminister.

Die Schottische Nationale Partei (SNP) glaubte, dass die Teilautonomie unweigerlich zum Wunsch nach vollständiger Unabhängigkeit führen würde. Geschieht das tatsächlich?

Nein. Die neuesten Umfragen beweisen aber, dass inzwischen wesentlich mehr Menschen die Teilautonomie unterstützen als vor drei Jahren. Sie möchten auch, dass das Parlament noch mehr Macht bekommt, aber der Wunsch nach vollständiger Unabhängigkeit ist im Vergleich zu 1998 zurückgegangen.

Nächstes Jahr sind Wahlen. Was hat die Regierung vorzuweisen?

Sie hatte es bisher recht einfach. Das Budget ist von der britischen Regierung von 14 auf 22 Milliarden Pfund im Jahr erhöht worden, so dass man bisher keine harten Entscheidungen treffen musste. Der Test kommt, wenn entweder weniger Geld da ist oder in London die Tories an die Macht kommen, denn dann gibt es Interessenkonflikte. Wichtig für die Regierung ist, dass die Menschen Veränderungen spüren, sie wollen bessere Straßen, ein besseres Gesundheits- und Bildungswesen, und danach richtet sich ihre Unterstützung für die neuen Institutionen.

Die Schottische Sozialistische Partei hat bei den Kommunalwahlen und auch bei den Westminster-Wahlen erheblich zugelegt. Sind die Menschen mit den etablierten Parteien denn schon unzufrieden?

In der politischen Mitte herrscht Gedränge, da ist es für die etablierten Parteien schwer, sich zu profilieren. Hinzu kommt, dass Schottland nach wie vor große Probleme hat, was die auseinander klaffende Einkommensschere, die Arbeitslosigkeit und die Kinderarmut betrifft. Labour bietet Marktlösungen an, doch viele sind davon desillusioniert und wenden sich den Grünen und den Sozialisten zu.

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