: Gefecht vor Korea
Ein tödliches Seegefecht vor der koreanischen Westküste überschattet das Ende der Fußball-WM und belastet Seouls Entspannungspolitik
TOKIO taz ■ Im Gelben Meer haben sich Kriegsschiffe der beiden Koreas am Samstag das schwerste Seegefecht seit dem Abschluss des Waffenstillstandsabkommen 1953 geliefert. Dabei starben nach Angaben aus Seoul 4 südkoreanische und etwa 30 nordkoreanische Marinesoldaten. Ein südkoreanisches Schnellboot wurde versenkt, und zwei Kriegsschiffe des Nordens fingen Feuer.
Den 25-minütigen Schusswechsel verurteilten die USA und Südkorea als „bewaffnete Provokation und schwere Verletzung des Waffenstillstandsabkommen“. Laut südkoreanischem Verteidigungsministerium drangen bei der Insel Yeonpyeong unmittelbar an der westlichen Seegrenze der beiden Länder nordkoreanische Fischerboote begleitet von Patrouillenbooten in südkoreanische Gewässer. Als Südkoreas Marine die feindlichen Boote stellte und zum Rückzug aufforderte, hätten diese das Feuer eröffnet.
Pjöngjang wies diese Darstellung zurück und beschuldigte den Süden, die Patrouillenboote, die sich „auf einer Routinefahrt für die Küstenwache“ befunden hätten, angegriffen zu haben. Das Gefecht überschattete die zwei letzten Tage der Fußball-WM, bei der Südkorea als Mitgastgeber im Mittelpunkt stand. Südkoreas Präsident Kim Dae-jung versetzte die Streitkräfte in erhöhte Alarmbereitschaft, versammelte den nationalen Sicherheitsrat und verwarnte Pjöngjang. Trotzdem besuchte er gestern das Endspiel in Japan.
Südkoreas Medien reagierten bestürzt auf das Seegefecht. Der oppositionellen Großen Nationalpartei nahe stehende Medien kritisierten die zu freigebige Entspannungspolitik Kims und forderten Vergeltung. Hilfslieferungen für die darbende Bevölkerung und andere wirtschaftliche Hilfe solle eingestellt werden solange der Norden sich nicht entschuldige, forderte die konservative Choson Ilbo.
Regierungsfreundliche Blätter sehen den „Sonnenscheinpolitik“ genannten Entspannungskurs von Kim in Gefahr und erwarten, dass die für nächste Woche geplanten Gespräche zwischen den USA und Nordkorea verschoben werden könnten.
ANDRÉ KUNZ
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