Risiko Streifendienst

Galt bis Ende der 80er-Jahre Terrorismus als größte Gefahr für Polizisten, ist das Risiko inzwischen bei Fahrzeug- oder Personenkontrollen höher

BERLIN taz ■ Gewalt gegen Polizisten hat sich seit Ende der Achtzigerjahre erheblich verändert. Galt bis dahin die Bedrohung durch Terroristen als gefährlichste, sind es heute eher alltägliche Situationen, in denen es zu schweren Angriffen auf Polizeibeamte kommt, sagt Konrad Freiberg, der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei. Gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Innenministerkonferenz, Bremens Innensenator Kuno Böse, stellte er gestern das Ergebnis einer Studie des Kriminologischen Forschungsinstitutes Niedersachsen (KFN) vor.

Seit dem Sommer 2000 untersuchte das KFN Angriffe mit vorsätzlicher Tötungsabsicht. Grund für den ungewöhnlichen Forschungsauftrag war die Tötung von acht PolizistInnen im Jahr 2000. Das größte Risiko tragen nach der KFN-Studie nicht Sondereinsatzbeamte, sondern Funkstreifenbesatzungen. Hier entwickeln sich Angriffe mit Tötungsvorsatz meist bei Fahrzeugkontrollen, beim Ansprechen einer Person zum Überprüfen ihrer Identität oder beim Verfolgen Verdächtiger. Im Schnitt kommt dabei jeder dreizehnte Beamte ums Leben. Männer sind erheblich gefährdeter als ihre Kolleginnen. Deren Anteil liegt unter sechs Prozent. Die Täter sind fast immer deutsche Männer zwischen 21 und 40 Jahren. Angriffe ohne Tötungsabsicht finden überraschend häufig in bürgerlichen Vierteln statt, die zuvor als ungefährlich galten. Seit 1945 wurden mehr als 380 Polizisten getötet. Die meisten Angriffe mit Tötungsabsicht gab es zwischen 1985 und 1994, seither sinken die Zahlen wieder. 2001 wurde kein Beamter getötet. Von „amerikanischen Verhältnissen“ sei man also weit entfernt, so Böse. Dennoch forderten Polizisten nach seinen Informationen vermehrt vereinfachte Schusswaffenregelungen. Böse und Freiberg setzen dagegen eher auf die verstärkte Ausrüstung mit Schutzwesten. Einig waren sie sich zudem darin, dass zwischen einer stärkeren Eigensicherung der Beamten und der Forderung nach mehr Bürgernähe ein Widerspruch bestehe. Nun soll eine Arbeitsgruppe den Innenministern bis zum Dezember entsprechende Vorschläge unterbreiten. OTTO DIEDERICHS