: Leicht anarchisch
Ironie, eine Prise Politik, Renaissance-Rezeption und ein paar röhrende Hirsche: Jahresausstellung der HfbK
Eine Mischung von Bad Boy und Teletubbie rennt durch einen Wald und verschleudert Farbe, aus der sich das metergroße Wandbild selbst aufbaut. Das Bild von Michael Conrads füttert die Augenlust und definiert einmal mehr die Rolle, die trotz aller anders gearteten Versuche den KünstlerInnen immer noch am ehesten eingeräumt wird: etwas abseitige Menschen zu sein, die aus sich heraus neue Welten generieren. Um ein Wandbild wie dieses in Klasse K 14 der Hochschule für bildende Künste zu sehen, muss man sich eben an den Ort der Produktion begeben – und mit den Diplom- und Jahresausstellungen lädt die Hochschule derzeit wieder einmal dazu ein.
Bei solcher Gelegenheit darf sich jeder als Talent-Scout fühlen und trotz eines Heftes mit Gebäudegrundrissen und Künstlernamen rätseln, ob so manche unaufgeräumte Ecke Materiallager ist oder ein Kunstwerk, das Materiallagerung thematisiert. Doch jenseits aller Kontext-Theorie lassen sich manche künstlerischen Traditionen nicht ewig unterdrücken. Aus der Atelierecke in K 21 brechen in ungewohnter Anarchie altdeutsche Eichenlaub-Ornamente hervor. Andernortsröhren aufgespießte Hirschköpfe, weißgipsern bemalt, über grünen Resten spießiger Gardinen: Ein gelungenes Formspiel von Moritz Altmann aus der Klasse von Pia Stadtbäumer, das sich auch politisch lesen lässt. Das gilt auch für die alte Runen raunenden Bäume von Ulrike Schmidt.
Die Grenzen dessen auszuloten, was ein Bild, was eine Skulptur sein kann, ist stetige Aufgabe einer Akademie: Sei es, dass die Franz-Erhard-Walther-Schülerin Martina Ring einen Kürbis unter einer Zuchtlampe allmählich in Form wachsen lässt oder dass Fotokünstler Michael H. Rhode Stadtlandschaften aus Realbildbestandteilen am Computer komponiert. Zudem scheint die fachbereichsübergreifende Ausbildung besondere Kreativität freizusetzen. So ist Wlodek Bzowka bei seiner Beschäftigung mit den Fresken des Frührenaissancemalers Piero della Francesca darauf gekommen, Methoden der Stadtplaner auf die künstlerische Bildanalyse anzuwenden.
Im Bibliotheksvorraum präsentiert sich die Zeichnungsklasse von Alexander Rob mit Arbeiten, die von den Filmen David Llynchs beeinflusst sind: Teils riesengroße, auf dem Boden erstellte Familenskizzen, teils düstere Nachtbilder finden sich hier. Auf jeden Fall einen Besuch lohnt die Klasse des Oberironikers Werner Büttner. Schon auf dem Flur lockt eine brüchige Leuchterkonstruktion in neuer Prächtigkeit, drinnen gibt es, geschaffen von A. Francis Frank, ein Sofa aus einem Schalenkoffer.
Auch wenn eine solche Einschätzung immer problematisch ist: Insgesamt scheinen die Studenten derzeit wieder mehr Spaß an genuin künstlerischer Produktion zu haben. Auch der neue Präsident sorgt für frischen Wind. Doch damit allein sind die Struktur- und Raumprobleme der HfbK noch nicht zu lösen. Es bedarf deutlich mehr politischen Willens, die Arbeit der Institution nicht nur nicht zu behindern, sondern zu unterstützen.
Vielleicht nutzt ja schon das Angebot, für 25 Euro die Seele der Besucher der Jahresausstellung zu kaufen, besser wäre, noch mehr Menschen würden freiwillig ihr Herz an den Kreativpool Hfbk verlieren. Hajo Schiff
heute: Vorführung von Künstlerfilmen und -videos, ab 17 Uhr: Korpys/Löffler, Corinna Schnitt, Hans Schabus, Takehito Koganezawa, Jonathan Meese, Christian Jankowsi und Florian Slotawa; ab 19 Uhr: Laura Cottingham: Not for Sale – eine Dokumentation über New Yorker Frauenkünstlerinnen der 70er Jahre, ab 20.30 Uhr: Filme von Studenten; Hochschule für bildende Künste, Lerchenfeld 2; Ausstellungen der Bühnenbildner und der Designer auch im Gebäude Wartenau 16; täglich 14–20 Uhr; bis Sonntag, 7. Juli
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