: Breite konservative Basis
Platzvergabe im Integrationsbeirat: Ein Drittel der Mitglieder sind gleichzeitig Funktionäre der Regierungsparteien. Ausgeschlossene Migrantengruppen protestieren gegen „Diskriminierung“. Beiratsmitglieder sind geteilter Meinung
von HEIKE DIERBACH
Von den 45 Mitgliedern des neuen Integrationsbeirates sind ein Drittel Funktionäre der Regierungsparteien. Das haben Recherchen der taz hamburg ergeben. Offiziell beansprucht die Rechtskoalition zwar „nur“ sieben Plätze für Landesvorsitzende und Fraktionsvertreter. Aber sieben weitere Beirats-Mitglieder, die als Vertreter von „neutralen“ Organisationen benannt sind, sitzen gleichzeitig für CDU und FDP in Bezirksparlamenten, Ausschüssen und Ortsvorständen.
Zum Beispiel Henning Finck von der „Europäischen Ausländerinitiative“: Er ist zugleich stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU in Hamburg Mitte. Wolfgang D. Kramer von derselben Organisation sitzt für die CDU im bezirklichen Jugend- und Sozialausschuss. Dietrich Hoth, laut Beiratsliste „Landesvorsitzender der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung“, ist zugleich Aussiedlerbeauftragter der Hamburger CDU und sitzt für die Partei in der Deputation der Sozialbehörde.
Die als „Rechtsanwältin“ vorgestellte Marina Todenhaupt ist stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP in Altona. Marino Freistedt, berufen als Schulleiter des Katholischen Gymasiums Sankt Ansgar, sitzt für die CDU in der Deputation der Schulbehörde. Der einzige Vertreter von der nordelbischen Kirche im Beirat, Hauptpastor Lutz Mohaupt von St. Jacobi, ist ebenfalls CDU-Mitglied.
Auch die MigrantInnenplätze wurden offenbar zu einem Drittel nach Parteibuch vergeben: Hourvash Pourkian, laut Liste von „Shamo Textil Import-Export“, hat im Wahlkampfteam von Ole von Beust gearbeitet. Abut Can, „Vorsitzender des syrisch-orthodoxen Kulturvereins“, ist zugleich Beisitzer im Ortsvorstand der CDU Veddel-Rothenburgsort. Auch Jerfi Hein, Vertreterin der „Deutsch-türkischen Interessengemeinschaft“ ist CDU-Mitglied. Die Deutsch-Türkin Canan Münch räumte ihre Mitgliedschaft bei der Schill-Partei immerhin im Beirat ein.
Unterdessen haben die ersten nicht im Beirat vertretenen Migrantengruppen gegen ihren Ausschluss protestiert: „Dass man keinen einzigen Afrikaner berufen hat, bestätigt die rassistische Politik dieser Regierung“, sagte der Vorsitzende der African Refugees Association, Senfo Tonkam. Mustafa Yoldaș vom Rat der islamischen Gemeinschaften warnte, durch die mangelnde Repräsentativität könne der Beirat dazu beitragen, die Spannungen zwischen den verschiedenen Gruppen verschärfen – „bei der jetzigen Zusammensetzung empfinde ich das Gremium als Instrument der Desintegration, wenn nicht sogar Diskriminierung“. Die Sozialbehörde sieht „keinen Grund, warum wir die Auswahl der Mitglieder rechtfertigen sollten“, so Sprecherin Annika Wichert.
Diejenigen, die einen Platz erhalten haben, zeigten sich geteilter Meinung: Cirus Djavid, Geschäftsführer der Interkulturellen Begegnungsstätte Kulturhaus Pars, und der Vorsitzende der Kroatischen Kulturgemeinschaft, Vinco Cujic, finden das Gremium gut, „besser als nur eine Person als Beauftragte“. Auch Norbert Kessler, Vorsitzender der Caritas Hamburg, ist „zumindest nicht pessimistisch“. Nur die Größe des Gremiums sei mit 45 Personen „an der Grenze der Arbeitsfähigkeit“. Diese Grenze überschritten sieht Cengiz Yagli vom Deutsch-Türkischen Seniorenkreis der Arbeiterwohlfahrt. „Konzepte mit so einer großen Gruppe zu erarbeiten, wird schwierig.“
Weiterhin skeptisch ist die Vertreterin des Diakonischen Werkes, Bettina Clemens: „Der Beirat kann die Ausländerbeauftragte nicht ersetzen.“ Sie kritisiert, dass die Hamburger Träger, die seit Jahrzehnten die Integrationsarbeit leisten, kaum vertreten sind. Dennoch werde man erst einmal versuchen, was eine Mitarbeit bringt „und mal ausprobieren, etwas zu fordern – dann sehen wir ja, wie abgestimmt wird“.
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