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„Rein spekulativ“

Schröders liebster Gewerkschaftsboss glaubt nicht an die Halbierung der Arbeitslosenzahl. Trotzdem verteidigt Hubertus Schmoldt die Hartz-Pläne

Interview ULRIKE HERRMANN und PHILIPP MÄDER

taz: Herr Schmoldt, der Bundeskanzler trifft sich morgen mit Ihnen und anderen Gewerkschaftsführern, um über die Hartz-Vorschläge zu reden. In den letzten Tagen machten die Gewerkschaften aber keinen sehr geschlossenen Eindruck. Gerade wieder hat ein Positionspapier von Ver.di massive Kritik vorgebracht, während Sie sich für die IG Bergbau Chemie und Energie eher positiv geäußert haben.

Hubertus Schmoldt: Dieses Papier von Ver.di ist mir nicht bekannt; aber ich weiß, was der DGB-Bundesvorstand beschlossen hat. Das ist ein grundsätzliches Ja der Gewerkschaften zu dem, was Peter Hartz an Vorschlägen zugeschrieben wird.

Also keine Bedenken?

Eines muss klar sein: Es ist zwar in Ordnung, Arbeitslose nicht nur zu fördern, sondern auch zu fordern. Aber wer arbeitslos ist, darf nicht dafür bestraft werden, dass es keine Arbeitsplätze gibt.

Sie lehnen also die Hartz-Idee ab, die Arbeitslosenhilfe nach zwei Jahren auf das Niveau der Sozialhilfe zu senken?

Ich kenne diesen Vorschlag so nicht. Und ich rede nicht über Einzelvorschläge eines Gesamtkonzepts, die möglicherweise vorab lanciert wurden.

Immerhin von Hartz selbst im Spiegel.

Was dazu bislang gesagt wurde, ist zu wenig konkret, um es abschließend zu bewerten.

Aber Sie reden trotzdem mit dem Kanzler darüber.

Wir wollen Leitplanken einziehen. Man kann zum Beispiel die Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zusammenlegen, damit die Verwaltung effizienter wird. Aber nicht mit dem Ziel, das finanzielle Leistungsniveau abzusenken. Das werden wir nicht akzeptieren. Das wäre eine Bestrafung der Arbeitslosen.

Ver.di will auch die „Ich-AGs“ nicht akzeptieren. Man fürchtet, dass Schwarzarbeit damit sogar ausgeweitet würde.

Zu Ver.di müssen Sie meinen Kollegen Frank Bsirske fragen, nicht mich. Aber zum Punkt: Neue Instrumente gegen Arbeitslosigkeit sollten wir natürlich in einer Pilotphase erst einmal testen, bevor wir sie einführen.

Ob die „Ich-AG“ hält, was sich Peter Hartz von ihr verspricht, kann momentan niemand beurteilen. Aber wer solche Vorschläge von vornherein ablehnt, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, Reformen nicht zu wollen.

Ver.di sieht auch die geplanten Zeitarbeitsfirmen sehr kritisch, weil sie reguläre Arbeitsplätze gefährden könnten.

Wer sagt, was nicht geht, sollte auch sagen, was geht. Natürlich müssen für diese Vermittlungsagenturen bestimmte Voraussetzungen gelten. Also: Tarifniveaus dürfen nicht unterhöhlt, Festangestellte dürfen nicht durch Zeitarbeitskräfte ersetzt und der arbeitsrechtliche Schutz darf nicht unterlaufen werden.

Die Erfahrungen mit den Zeitarbeitsfirmen sind aber bisher nicht besonders ermutigend. Das Projekt Start in Nordrhein-Westfalen vermittelt nur etwa 800 Erwerbslose pro Jahr. Glauben Sie, dass Hartz sein Ziel erreichen kann, die Zahl der Arbeitslosen zu halbieren?

Ich beteilige mich nicht an Spekulationen über solche Ziele. Jedes Instrument, das Menschen in Beschäftigung bringt, lohnt sich.

Wenn Sie nicht spekulieren wollen, sollte es dann der Kanzler tun?

Für jeden Bundeskanzler ist es wichtig, dass er sich bei der Bekämpfung von Arbeitslosigkeit ein Ziel setzt. Daran muss er sich später messen lassen.

Das ist doch schon einmal schief gegangen.

Es ist nicht allein der Fehler des Kanzlers, wenn die Arbeitslosigkeit nicht abnimmt. Was mich an der ganzen Diskussion so ärgert: Die Arbeitgeber werden überhaupt nicht in die Pflicht genommen. Dabei haben sie im Bündnis für Arbeit viel versprochen, aber wenig gehalten: Überstunden abzubauen, mehr Lehrlinge zu übernehmen und mehr Teilzeit anzubieten. Nichts ist geschehen.

Diesen Eindruck haben viele Wähler aber auch bei der Bundesregierung. Hätte man die Hartz-Vorschläge nicht viel früher diskutieren können?

Alles hätte immer eher sein können. Aber was soll diese unproduktive Spielerei? Es ist gut, dass die Diskussion um eine Belebung des Arbeitsmarkts jetzt geführt wird. Die Bundesregierung hat ja auch einige gute Ansätze bereits verwirklicht, zum Beispiel das Job-Aqtiv-Gesetz. Hartz soll nun eine umfassende Reform erarbeiten, das ist ein sehr anspruchsvolles Unterfangen.

Die Reformen des letzten halben Jahres drohen aber schon zu scheitern. Zum Beispiel die Vermittlungsgutscheine. Warum sollen die Hartz-Vorschläge dann erfolgreicher sein?

Aus meiner Sicht stellt sich die Frage anders: Aus welchem Grund sollte man nicht das ausprobieren, was an Ideen zur Verfügung steht? Und nochmals: Man darf nicht glauben, dass nur die Reform der Arbeitsverwaltung und der Vermittlung Jobs schaffen. Damit ist noch keine neue Stelle gewonnen. Die Wirtschaft muss ran.

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