DIE USA GEFÄHRDEN MIT IHREM VERHALTEN DEN FRIEDEN AUF DEM BALKAN
: Bosnien braucht Europa

Die von den USA losgetretene Diskussion über den Internationalen Strafgerichtshof wirkt sich auf Südosteuropa verheerend aus. Dass die „größte Macht“ einen rechtsfreien Raum beansprucht, ist in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens ein nur allzu bekanntes Vorgehen – Milošević lässt grüßen.

So, wie die Amerikaner Bosnien jetzt als Hebel benutzen, um politischen Druck auf die UN auszuüben, handeln sie verantwortungslos. Denn noch immer hängen Stabilität und Frieden in der Region von der internationalen Präsenz ab. Zudem ist die Debatte über den UN-Einsatz eine Gespensterdiskussion, da sich die UN auf dem Balkan ohnehin auf dem Rückzug befindet: Das Mandat für die UN-Mission in Bosnien läuft Ende des Jahres aus. Schon längst ist entschieden, dass die UN-Polizei durch EU-Polizisten ersetzt werden wird. Und die internationalen Friedenstruppen der SFOR, an der unter dem Kommando der Nato auch Nicht-Nato-Länder beteiligt sind, operieren lediglich mit Billigung der UN, nicht jedoch mit ihrem Mandat.

Wenn die internationale Gemeinschaft als Konsequenz aus den Verbrechen der ethnischen Säuberungen während der fünf Kriege zwischen 1991 und 2000 im gesamten Raum rechtsstaatliche und demokratische Prinzipien durchsetzen will, müssen die sie tragenden Institutionen und Staaten UN, OSZE, USA und EU sich selbst an die von ihnen propagierten Spielregeln halten, sonst verlieren sie ihre Glaubwürdigkeit.

Mit ihrem Vorstoß haben die Vereinigten Staaten die Autorität der internationalen Institutionen auf dem Balkan schwer beschädigt, und das kann nur die rechtsradikalen und nationalistischen Kräfte auf dem Balkan freuen. Es wird an den Europäern liegen, diese Autorität nun wieder herzustellen. Das freilich bedeutet unter anderem das klare Bekenntnis der Europäischen Union nicht nur zum zivilen, sondern auch zum verstärkten militärischen Engagement. Da die USA in Bosnien ihre Truppen dramatisch reduziert haben, kann man eigentlich nur vermuten: Die absurd erscheinende Debatte um den Balkaneinsatz sollte die Europäer genau dazu zwingen. ERICH RATHFELDER