Wählen, bis die EU zufrieden ist

Irland hat per Volksabstimmung die Nizza-Verträge der EU abgelehnt. Kein Problem: Es gibt im Oktober noch ein Referendum, diesmal ohne Chancengleichheit beider Seiten

DUBLIN taz ■ Die EU bekommt eine zweite Chance. Im Oktober müssen die Iren erneut über den Vertrag von Nizza abstimmen, bei dem es unter anderem um die Osterweiterung der Europäischen Union geht. Ohne die Zustimmung Irlands kann der Vertrag nicht in Kraft treten, bis Ende des Jahres muss er von allen Mitgliedsländern ratifiziert sein.

Im Juni 2001 wollte die irische Regierung die erste sein und legte den Vertrag dem Volk vor. Das ging schief. Zum Entsetzen der irischen Politiker – bis auf die von Sinn Féin und den Grünen – sagten 54 Prozent der Wähler Nein. Dafür gab es verschiedene Gründe: Die einen befürchteten, dass durch eine gemeinsame Verteidigungspolitik Irlands Neutralität auf dem Spiel steht, die anderen bemängelten, dass Irland künftig kein automatisches Anrecht auf einen EU-Kommissar haben soll und viele Entscheidungen nicht mehr einstimmig, sondern durch eine „qualifizierte Mehrheit“ getroffen werden. Das heißt, dass große EU-Länder den Rest überstimmen könnten. Kaum eine Rolle spielte hingegen die Angst, dass durch die Aufnahme osteuropäischer Länder die EU-Gelder für Irland gekürzt werden könnten.

Irlands Regierung muss den Wählern den Vertrag von Nizza nun schmackhaft machen, denn er wird im Oktober unverändert zum Volksentscheid vorgelegt. Um den Gegnern den Wind aus den Segeln zu nehmen, hat die irische Regierung auf dem EU-Gipfel von Sevilla eine Erklärung abgegeben, dass die irische Neutralität durch den Vertrag von Nizza nicht beeinträchtigt wird. Die anderen 14 Mitgliedsstaaten haben diese Sichtweise in einer zweiten Erklärung bestätigt. Rechtlich bindend ist das freilich nicht. So hat man einen Zusatzparagraphen in den Referendumstext aufgenommen, der besagt, dass Irland bei einer gemeinsamen Verteidigungspolitik nicht mitmachen werde.

Ob das reicht, ist fraglich. Die Vertragsgegner bezeichneten die Erklärungen von Sevilla als „wertlos“. Grünen-Chef Trevor Sargent sagt: „Das irische Volk soll über genau denselben Vertrag abstimmen, den es im vorigen Jahr abgelehnt hat. Das ist völlig undemokratisch. Und es ist verfassungsrechtlich zweifelhaft.“ Der pensionierte Jura-Professor und Sprecher der Nein-Kampagne, Anthony Coughlan, sagt: „Die großen Staaten brauchen den Vertrag von Nizza nicht für die Osterweiterung, sondern um einen inneren politischen Kreis zu schaffen, damit sie von den kleineren Ländern nicht überstimmt werden können. Als verantwortungsbewusste Europäer müssen wir gegen den Vertrag stimmen, um die EU zusammenzuhalten.“

Die großen Parteien werden diesmal mehr Elan aufbringen als beim letzten Mal. Damals hatte man halbherzig für ein Ja zu Nizza aufgerufen, die Debatte auf ein Minimum beschränkt und die Vertragsgegner als Dummköpfe hingestellt. Die Arroganz rächte sich, zwei von drei Wählern blieben zu Hause, die restlichen lehnten den Vertrag mehrheitlich ab. Damit das nicht noch mal passiert, hat die Regierung die Referendumskommission wieder abgeschafft. Deren Aufgabe war es, bei einem Volksentscheid den Wählern ganz neutral die Argumente beider Seiten zu erläutern. Ohne diese Kommission haben die Vertragsbefürworter freie Bahn, denn sie haben viel mehr finanzielle Mittel als die Gegner. Aber auch das reicht möglicherweise nicht. Die Iren mögen es nicht, wenn sie durch Einschüchterung und Angstmache zu einer Entscheidung gezwungen werden sollen – so wie es Premierminister Bertie Ahern tut. Er sagte: „Die EU hat die Bedingungen für unseren Wohlstand geschaffen und wird das auch weiterhin tun, wenn wir ein zuverlässiger Partner bleiben. Eine abermalige Ablehnung würde Irlands Position in der EU schaden.“ Die Vertragsgegner bezeichnete er als „Jammerlappen“. RALF SOTSCHECK