: SCHRÖDERS DEBAKEL
Höchste Arbeitslosigkeit im Juni seit 4 Jahren. Der kommende Aufschwung wird auch nicht lange währen. Kanzler kämpft um Glaubwürdigkeit
BERLIN taz ■ Der Sommereffekt ist ausgeblieben: Auch im Juni ist die Zahl der Erwerbslosen weiter gestiegen. Die Statistik der Bundesanstalt für Arbeit verzeichnete 3,954 Millionen Menschen ohne Arbeit, 260.000 mehr als vor einem Jahr und 8.000 mehr als im Mai. Schröders Versprechen, die Arbeitslosigkeit unter die 3,5-Millionen-Marke zu drücken, rückt in weite Ferne.
Es gab gegensätzliche Entwicklungen in West und Ost: Während die Zahl für die alten Bundesländer um 1.000 auf 2,560 Millionen Erwerbslose zurückging, kletterte sie in den neuen um 9.000 auf 1,394 Millionen. Saisonbereinigt gibt es insgesamt 4,09 Millionen Erwerbslose. Damit ist die Arbeitslosigkeit erstmals seit neun Jahren im Juni nicht zurückgegangen. Im Westen ist es der höchste Juniwert seit vier Jahren, im Osten sogar seit der Wende.
Die Aussichten sind nicht sonniger: Für das Gesamtjahr rechnet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) mit durchschnittlich 4,02 Millionen Erwerbslosen. Eine Trendwende gebe es erst 2003. Die Union wusste die Vorlage zu nutzen. Die Entwicklung sei „im Wesentlichen hausgemacht“, sagte Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU). „Richtige und notwendige Reformen“ seien „seit Jahren verschleppt“ worden. CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer kündigte ein Gegenkonzept zur Hartz-Kommission an.
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) machte dagegen die weltweite Konjunkturschwäche verantwortlich. „Ich glaube, dass man weiß, dass die Aufschwungtendenzen, die es gibt, den Arbeitsmarkt noch nicht erreicht haben“, sagte er. Für den Osten werde die Hartz-Kommission allerdings „maßgeschneiderte Vorschläge“ entwickeln müssen. Diese Konjunkturhoffnungen dämpfte jedoch das DIW. Seine Experten prognostizieren für den Aufschwung im nächsten Jahr ein jähes Ende. Grund: der Brüssel gegenüber versprochene Sparkurs. Dieses Problem werde aber auch eine mögliche neue Bundesregierung haben.
BEATE WILLMS
inland SEITE 7, wirtschaft SEITE 8
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