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Sonne, Wind und Biostrom

Der Boom der erneuerbaren Energien ist ein Erfolg der Umweltverbände – und der Bundesregierung. Bilanz und Ausblick zu einem zentralen Anliegen der Grünen

Nüchtern und ohne ideologische Debatten kämpften die Umweltverbände erfolgreich für ihre Visionen

Pauschale Kritik an Rot-Grün ist vor der Wahl wieder schick: Die Regierung habe ihre Ideale verkauft, die politische Wende verpasst und überhaupt nichts bewegt. Kurz, man könnte genauso gut Schwarz wählen.

Die Erfolge der Koalition werden dagegen als geradezu selbstverständlich hingenommen. Zum Beispiel bei einem der zentralen Anliegen grüner Politik: der Förderung erneuerbarer Energien. Dank Rot-Grün hat in den vergangenen knapp vier Jahren das Solarzeitalter begonnen. Unbestreitbar. Unumkehrbar.

Und das ist ohne Zweifel eine beachtliche Leistung, die selbst Optimisten überraschte. Lassen wir einfach die Zahlen sprechen. Ende 1998 waren in Deutschland Solarstromanlagen mit zusammen gerade 44 Megawatt Leistung installiert. Ende diesen Jahres dürften es mehr als 230 Megawatt sein. Man lasse sich das auf der Zunge zergehen: Inzwischen werden pro Jahr in Deutschland mehr Fotovoltaikanlagen verkauft als in allen 16 Jahren der Kohl-Ära zusammen.

Ähnliches gilt auch für die Solarthermie. 900.000 Quadratmeter Kollektoren wurden im vergangenen Jahr in Deutschland installiert. Das ist fast so viel, wie in der gesamten vorherigen Legislaturperiode. So entstanden seit dem Machtwechsel 16.000 Arbeitsplätze in der Solarbranche.

Beim Wind verlief das Wachstum ähnlich rapide. Kaum 2.900 Megawatt Kraftwerksleistung waren Ende 1998 in Deutschland installiert. Ende dieses Jahres werden es fast 12.000 Megawatt sein. Die Relation ist wieder die gleiche: Allein im laufenden Jahr wird in Deutschland so viel Windkraftleistung neu ans Netz gehen, wie in den gesamten 16 Jahren der CDU/FDP-Koalition zusammen. Längst hat Deutschland damit die einst führenden Windnationen Dänemark und USA übertroffen.

Selbst auf die Gefahr hin zu langweilen: Auch beim Biogas ist der Boom unverkennbar. Ende 1998 gab es gut 600 landwirtschaftliche Biogasanlagen, jetzt mehr als dreimal so viel. Allein im vergangenen Jahr gingen bundesweit mehr Biogasanlagen ans Netz, als in einem ganzen Jahrzehnt unter konservativer Regierung. Und das, obwohl die Landwirtschaft, die sich mit Biogasanlagen ein zweites Standbein schafft, traditionell eher eine Klientel der CDU ist, als eine der Grünen.

Zudem begann in jüngster Zeit auch die innovative Nutzung der Holzenergie. Stromerzeugung durch Holzverbrennung war vor dem Regierungswechsel 1998 ein seltenes Kuriosum. Heute sind zahlreiche Kraftwerke in Bau, von denen die größten mehr als 50 Millionen Kilowattstunden Strom jährlich klimaneutral erzeugen werden. Blendende Perspektiven also – nicht nur für Stromerzeuger und Kraftwerksbauer, sondern auch für die Forstwirtschaft.

Warum werden die Erfolge nun von den Bürgern so wenig wahrgenommen? Ganz einfach, weil es keine kontroversen Debatten zu diesem Thema gab. Die Regierung verabschiedete Gesetze und Verordnungen – und diese zeigten schnell Wirkung. Damit waren die Themen für die Medien auch schon durch, schließlich gab es außer gelegentlichen Erfolgsnotizen kaum Stoff für eine spannende Story. Nur wenn Erfolge im harten Kampf, etwa gegen die Atomlobby, errungen werden, nehmen die Medien sie angemessen wahr und schreiben sie der Regierung gut.

So aber registrierte nur eine Minderheit die Energiewende, die von medial unspektakulären Instrumenten ausging: das 100.000-Dächer-Programm für die Fotovoltaik, das Erneuerbare-Energien-Gesetz für den kompletten Ökostrom-Mix, die Biomasse-Verordnung für die Holzkraftwerke, das Marktanreizprogramm für die Breitenförderung im ökologischen Wärmemarkt und das Zukunftsinvestitionsprogramm für Pilotprojekte der Forschung. So ebnete die deutsche Regierung, erfolgreich wie keine andere weltweit, aber ohne viel Aufhebens den Weg ins solare Zeitalter.

Am Ende bleibt eine entscheidende Frage: Warum waren in diesem Metier solch große Erfolge möglich, während die Regierung in anderen Politikfeldern hinter den Hoffnungen ihrer Wähler zurückblieb?

Es hat zu einem großen Teil mit der professionellen Arbeit der einschlägigen Vereine und Verbände zu tun. Permanent machten die Freunde von Windkraft, Sonne und Biostrom Druck auf die Regierung – weit geschlossener als viele Vertreter anderer grüner Ideale. Sie mischten bei der Gesetzgebung (bis in einzelne Formulierungen) als kompetente Partner mit. Ihnen gelang der Spagat: Sie kooperierten einerseits mit der Regierung, und brachten erfolgreich bei Gesetzesvorhaben ihre Fachkompetenz ein. Sie scheuten aber zugleich nie, sich gegen die Regierung zu positionieren – was durchaus manchmal nötig war.

Nüchtern und ohne ideologische Debatten kämpften sie (und kämpfen noch immer) für eine faszinierende Vision. Gleichwohl argumentierten sie nie weltfremd und profilierten sich als Pragmatiker ohne Berührungsängste, indem sie auch Wirtschaft und Wissenschaft mit ins Boot nahmen. Und sie zeigten mit professionellen Branchenmedien beachtliche Präsenz in der Gesellschaft.

Wichtig dabei war vor allem, dass die Verfechter erneuerbarer Energien sich nie auseinander dividieren ließen. Sonne, Wasser, Wind, Biomasse und Geothermie kämpften in den vergangenen vier Jahren stets gemeinsam: Genau das gab ihnen in Politik und Gesellschaft erhebliches Gewicht. Denn gemeinsam hatten sie praktisch keine Gegner. Während einzelne Energien gelegentlich Kritiker auf den Plan riefen – sei es die Windkraft wegen der Optik oder der Sonnenstrom wegen der Kosten –, ist die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien als Ganzes längst gesellschaftlicher Konsens. Diesen erreicht zu haben, ist auch ein Verdienst der Öko-Energie-Verbände.

Dank Rot-Grün hat in Deutschland das Solarzeitalter begonnen. Unbestreitbar.Unumkehrbar

Zugleich konnte das Engagement der Bürger aber nur Erfolg haben, weil es auf eine aufgeschlossene Regierung traf. Sollte am 22. September Rot-Grün abgelöst werden, dürfte daher die Energiewende ein jähes Ende finden. Offiziell genießen die erneuerbaren Energien zwar auch bei Union und FDP viel Sympathie, doch in der Praxis hört man längst heraus, dass die Opposition das einschlägige Engagement der jetzigen Regierung für deutlich überzogen hält. Somit kann Wahlverweigerung der rot-grünen Klientel für die erneuerbaren Energien am Ende fatale Folgen haben.

Und auch andere rot-grüne Ziele dürften beim Wechsel endgültig verbaut sein. So sollten enttäuschte Wähler statt zu resignieren aus dem Erfolg der Öko-Energien lernen, dass politische Veränderungen möglich sind, dass sie aber zwei Phasen brauchen. Erstens: den Gang zur Wahl. Und zweitens: das Bemühen um einen gesellschaftlichen Konsens – denn erst dieser treibt die Regierung an.

Offensichtlich haben viele Rot-Grün-Wähler von 1998, die heute mangelnde Reformen beklagen, in der Euphorie des Regierungswechsels den zweiten Teil schlichtweg vergessen. Im September haben sie es in der Hand, ob die Koalition eine zweite Chance bekommt.

BERNWARD JANZING

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