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USA bestehen auf Blankoscheck

Ein neuer Vorschlag der Bush-Administration zielt weiterhin auf Immunität für ihre an UNO-Missionen beteiligte Staatsbürger ab. Eine Mehrheit für den Resolutionsentwurf ist nicht ausgeschlossen, doch Frankreich arbeitet an einem Gegenvorschlag

aus Genf ANDREAS ZUMACH

Unter dem Eindruck massiver internationaler Kritik haben die USA ihre Forderung nach einer Immunitätsgarantie vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) für ihre an UN-Missionen beteiligten Soldaten und Zivilpersonen scheinbar abgeschwächt. In der Nacht zum Donnerstag brachte Washington einen neuen, als „Kompromiss“ deklarierten Resolutionsentwurf in den Sicherheitsrat ein. Auch nach diesem Entwurf sollen „jegliche Ermittlungen und Strafverfolgung“ gegen Mitglieder von UN-Missionen verboten werden, welche aus Staaten kommen, die – wie die USA – das IStGH-Statut nicht ratifiziert haben.

Formal soll diese Regelung zunächst nur für 12 Monate gelten, sollte der Sicherheitsrat diesen Resolutionsentwurf in seiner für Montag vorgesehenen Sitzung billigen. Dies ließe zumindest die Möglichkeit von Ermittlungen und Strafverfolgung nach Ablauf des Jahres zu. Allerdings soll der Sicherheitsrat laut US-Entwurf „die Absicht zum Ausdruck bringen, die Forderung nach einem Verbot jeglicher Ermittlungen und Strafverfolgung für weitere 12-Monats-Perioden zu erneuern, so lange, wie eine solche Regelung notwendig ist“.

Als „alten Wein in neuen Schläuchen“ kritisierte die Direktorin des Brüsseler Europa-Büros der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, Lotte Leicht, den neuen US-Entwurf gegenüber der taz. „Alle bisherigen Resolutionen des Rates seit 1945 mit entsprechenden Absichtserklärungen“ seien „später auch Realität geworden“.

In ihrem ursprünglichen Resolutionsentwurf hatte die Bush-Administration noch eine zeitlich unbegrenzte Immunität für sämtliche an UN-Missionen beteiligten US-Staatsbürger gefordert. Der Entwurf berief sich auf Paragraf 16 des IStGH-Statuts – und kehrte ihn ins Gegenteil um. Paragraf 16 sieht vor, dass der UN-Sicherheitsrat vom IStGH beabsichtigte oder bereits eingeleitete Ermittlungs- und Strafverfolgungsverfahren für 12 Monate aussetzen kann, wenn dies im übergeordneten Interesse von Frieden und Sicherheit angezeigt scheint – zum Beispiel um laufende Friedensverhandlungen nicht zu stören. Allerdings gilt diese Vorschrift des Statuts ausdrücklich und eindeutig nur für konkrete Einzelfälle. Die Vorschrift erlaubt keine Vorab-Blankoausnahme für ganze Länder und ihre Staatsbürger, wie sie von den USA auch in ihrem neuen Resolutionsentwurf weiterhin verlangt wird.

Eine Mehrheit für den neuen US-Entwurf ist nicht ausgeschlossen. Nach Informationen der taz aus dem Sicherheitsrat erwägen neben Großbritannien (dass den Entwurf gemeinsam mit den USA formuliert hatte) auch Russland, China, Singapur, Kamerun, Irland, Bulgarien sowie – völlig überraschend – auch Norwegen eine Zustimmung. Mauritius, Syrien und Kolumbien äußerten sich in einer gemeinsamen Erklärung zwar vorsichtig kritisch gegenüber Washington, haben ihre Meinungsbildung aber noch nicht abgeschlossen. Frankreich arbeitet derzeit an einem Gegenvorschlag zu dem US-Entwurf.

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