: Software rückt Bürgern in die Küche
Ein Prozent der Bevölkerung wird von der Bundesregierung für die so genannte „registergestützte Volkszählung“ befragt. Ihre Methoden stoßen bei Betroffenen und Datenschützern auf Kritik. Wer sich nicht zählen lassen will, muss Bußgeld zahlen
von SUSANNE AMANN
„Besitzen Sie eine Kochnische oder eine separate Küche? Und wann war Ihre letzte Eheschließung, wann die letzte Scheidung?“ So fragte die Bundesregierung Anfang Dezember ein Prozent der Bevölkerung: Eine neue Art der Volkszählung sollte getestet werden. Was die Regierung alles wissen wollte, irritierte jedoch nicht nur Betroffene, sondern auch die PDS. Die hat deshalb im Bundestag eine kleine Anfrage eingereicht.
„Das Gesetzgebungsverfahren ist zwar abgeschlossen, für uns bleiben aber datenschutzrechtliche und politische Fragen offen“, sagt Helmut Schröder vom Büro der PDS-Vizeparteichefin Petra Pau. Denn die Befragung war nur ein Probelauf, mit dem die Qualität der Melderegister überprüft werden sollte. Im Gegensatz zu dem bisherigen, umstrittenen Volkszählungsverfahren sollen künftig registergestützte Daten erhoben werden. Dabei werden Daten aus Verwaltungsregistern, wie etwa den Meldeämtern, genutzt.
Was die PDS jetzt am „rechnergestützten Zensusverfahren“ kritisiert, hatten Datenschützer schon im Vorfeld als bedenklich bezeichnet, auch wenn sie „die Richtung schon richtig finden“, wie Rainer Metschke, Mitarbeiter des Landesdatenschutzbeauftragten in Berlin, sagt. Er sieht im Gesetz zum Testlauf allerdings zwei grundsätzliche Probleme. „Es fehlt zum einen ein zukunftsweisendes Pseudonomisierungsverfahren, das den Rückschluss auf reale Personen nicht zulässt.“ Da sei die Technik noch nicht weit genug.
Außerdem, so seine Kritik, falle die Software nicht unter die Regeln der statistischen Geheimhaltungspflicht. Das heißt, dass zwar nicht die Daten, aber die Software zu deren Verknüpfung verkauft werden kann. Wenn also ein Sozialamt seine Daten mit denen des Meldeamtes dank der neuen, leistungsfähigen Programme verknüpft, muss beispielsweise eine ledige Mutter zukünftig erst einmal beweisen, dass sie wirklich alleinstehend ist und nicht mit ihrem Freund zusammenlebt. „Bestimmte Gruppen geraten damit immer mehr in Rechtfertigungszwang“, sagt Metschke.
Schon im Jahresbericht 2000 hatten die Berliner Datenschützer gewarnt, es würden „Methoden getestet, die es erlauben, flächendeckend auch außerhalb der Statistik den einzelnen Bürger in weiten Bereichen seiner Persönlichkeit zu registrieren und zu katalogisieren.“ Genau das aber hat das Bundesverfassungsgericht schon in seinem Volkszählungsurteil von 1983 als unzulässig bezeichnet und auch die Verknüpfung vorhandener Dateien nicht als Variante akzeptiert. „Es wäre wünschenswert, wenn das vorher noch mal geklärt wird“, rät Metschke. Denn heute mache man genau das, was das Urteil von 1983 verboten hat.
Dafür aber brauche es die Klage eines Bürgers, weshalb die PDS ihre Anfrage als Solidaritätsbekundung mit denen sieht, die die Auskunft bisher verweigern. Denn die müssen – für die Erhebung vom informationellen Selbstbestimmungsrecht ausgenommen – mit Bußgeldern bis über tausend Euro rechnen.
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