: Kita-Klüngel bestätigt sich
Bildungssenator und Träger parafieren geheimes Abkommen zum Kita-Gutscheinsystem. FamilienPower: Eltern haben keine Rechte und sind „vom Alltagsgeschäft weitgehend ausgeschlossen“. Träger kontrollieren sich weitgehend selbst
„Da haben die Akteure ein politisches Vakkum genutzt und ein Abkommen nach ihrem Gusto geschaffen“, sagt Matthias Taube vom Elternverein „FamilienPower“. Die Rede ist von einem 80 Seiten dicken Papier, das der Bildungssenator und die drei großen Kita-Träger „Städtische Vereinigung“, „Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtverbände“ und „Soal“ am 2. Juli parafierten und das der Öffentlichkeit laut Behördensprecher Andreas Fromm „nicht zugänglich“ gemacht werden soll. Es wäre „unhöflich“ gegenüber den Trägern, das Werk jetzt zu veröffentlichen, sagt Kita-Abteilungsleiter Jürgen Näther.
Das Schriftstück, das der taz vorliegt, ist das Ergebnis der seit 1999 geführten Verhandlungen zwischen Trägern und Stadt. Es regelt weitgehend die Bedingungen, unter denen das Kita-Gutscheinsystem – alias Kita-Card – ab August 2003 starten soll.
Was Taube, der als Elternvertreter und Kita-Card-Kritiker stadtbekannt ist, richtig sauer macht, ist die fehlende Elternmitbestimmung. Noch vor dem Regierungswechsel war eine landesweite Elternvertretung mit Informations- und Anhörungsrecht bei allen wichtigen Entscheidungen geplant – das wurde aus dem kürzlich vorgestellten SPD-Entwurf für ein Kita-Gesetz deutlich. Taube: „Dann hätten die Kita-Eltern eine Interessenvertreterin wie es Sabine Bick für die Schul-Eltern ist.“
Doch daraus wird nun nichts. Die Träger selber, so sieht es die Geheimvereinbarung vor, dürfen Aufbau, Aufgaben und Rechte der „Elternmitwirkung“ in ihren Kitas bestimmen. Besagte Elternvertretung wird nur bei „grundsätzlichen“ und „wesentlichen“ Entscheidungen informiert und wird vom „Alltagsgeschäft ausgeschlossen“, wie es Taube formuliert. Plötzlicher Erzieherwechsel beispielsweise, ein häufiger Streitpunkt, gehört da nicht dazu. „Die Eltern werden als natürliche Feinde der Träger begriffen, nicht als Partner“, kritisiert der engagierte Vater. „Das zieht sich durch das ganze Abkommen wie ein roter Faden.“
So ist nirgendwo näher definiert, wie der „Betreuungsvertrag“ aussehen wird, den alle Eltern im künftigen Gutscheinsystem unterschreiben müssen. Kommt es zu einer „Leistungsstörung“ wird die Behörde informiert und von Zahlungen befreit, nicht aber die Eltern. Auch in die Kontrolle der Qualität werden die Eltern nicht einbezogen. „Ohne eine organisierte und verfasste Elternschaft werden wir keine Qualität sichern“, ist sich Taube indes gewiss.
Dabei ist Qualitätssicherung das eigentliche Anliegen der Vereinbarung. Doch auch diese ist laut Taube mehr als mangelhaft geregelt. So dürfen die Kita-Träger sich selbst evaluieren, in welchem Zeitraum und aufgrund welcher Kriterien sie dies tun, ist ihnen freigestellt. Für Fremdevaluation gibt es kein Geld. Die Behörde ihrerseits ist „berechtigt“, die Leistungen der Träger zu überprüfen, aber nicht dazu verpflichtet. Die „Wirtschaftlichkeit“ der Leistungserbringung wird ohne Prüfung „unterstellt“. Die Bereitstellung von Fachberatungskapazitäten soll über eine Sondervereinbarung geregelt werden, auch ein Nachschlag bei gestiegenen Kosten soll möglich sein. Taube vermutet hier Vergünstigungen für „genehme Träger“: „Die Verhandlungsmacht kleiner Einrichtungen wird noch kleiner als bisher.“
Das Vereinbarungspaket regelt auch die künftigen Personalstandards und das Platzangebot der Kitas. Neu sind 12-stündige Krippen-Plätze und die zwei-, fünf- und siebenstündige Hortbetreuung. Allerdings fällt die am häufigsten genutzte Betreuung bis 16 Uhr weg, sodass Eltern den teureren Platz nehmen müssen. Taube: „Ich bin sprachlos. Ich hab keine Ahnung, warum das so passiert“. Ebenso kritikwürdig sei die ungenaue Festlegung des Raumbedarfs pro Kind, die Trägern erlaubt, auch Flur und Besenkammer dazuzurechnen. Insgesamt werde hier die „Tradition des Hamburger Kita-Klüngels“ von Behörde und Trägern, im Duett wichtige familienpolitische Entscheidungen zu treffen, fortgeführt.
Die CDU-Politikerin Bettina Pawlowski hatte Lange gebeten, mit der Unterschrift zu warten. Die Träger hingegen hatten auf eine Unterschrift gedrängt – weil sie trotz mancher Kompromisse mit dem Abkommen zufrieden sind. Kaija Kutter
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