: Ästhetik der Badenden (2)
Julia Baier geht gern in‘s Schwimmbad. Davon haben alle was. Denn ihre Fotografien von Menschen am und im Wasser sind großes Tennis
Gestern gab‘s einen Vorgeschmack, heute die ganze Seite: Platz für Julia Baiers Bilder aus der öffentlichen Badeanstalt. Die taz-Fotografin und Diplomandin der Bremer Hochschule für Künste stellt sie zur Zeit im Speicher XI am ehemaligen Überseehafen aus.
Ein Teil der Fotos ist in Bremen entstanden – zum Beispiel im Hallenbad Tenever. Dort saßen die vier Knaben auf der beheizten Bank, im Rücken die wartenden Mütter und Großtanten. Eine der letzten Duschungen im Neustädter Bad (das mittlerweile wegen Umbau geschlossen ist) war gestern in der taz zu sehen.
Andere Bilder entstanden in Hamburg, Bad Füssing, Bad Herrenalb, Paris und Passau (da hat Julia Baier selbst schwimmen gelernt). Ihre Erfahrung: „Die Ortsangaben sind nicht maßgeblich, da die Atmosphäre in Schwimmbädern, zumindest in Mitteleuropa, überall sehr ähnlich ist.“
Das Konstitutive für alle Schwimmbad-Situationen sei, dass ein großer Spagat sichtbar werde: zwischen ihrer Funktion als öffentlicher Einrichtung und der gleichzeitigen Privatheit der Badenden. Die Menschen entblößen sich, wie das sonst außerrhalb der eigenen Räume absolut unüblich ist. Ein zweiter Spannungsboden: Der Gegensatz eines extrem künstlichen, in aller Regel auch strengen Raumes zu der maximalen Beweglichkeit seines Füllstoffes Wasser – der wiederum die Menschen zappeln lässt.
Die so entstehenden Kontraste sind für die Fotografin ideal: Harte Linien treffen auf Bewegtes, Anspannung auf Entspannung. Die durchstrukturierten Kachelböden der Becken lösen sich in der bewegten Wasserberfläche auf, rigide Raster werden so zu tänzelnden Mustern.
Und mittendrin: Die Individuen. Im konzentrierten Blick des ältereren Mannes, dessen Hände den Thermovorhang teilen (wodurch eine fast segnende Geste ensteht) scheint das Bemühen zu liegen, inmitten des wässrigen Chaos‘ auf dem rechten Pfad zu bleiben. HB
Diesen Samstag und Sonntag, jeweils von 13 bis 18 Uhr im Speicher XI
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