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Scharping weggetreten

Kanzler Schröder feuert Rudolf Scharping – wegen Honoraren eines CDU-Waffenlobbyisten an den Verteidigungsminister. Nachfolger wird der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck. Edmund Stoiber: Die Regierung befindet sich „in Auflösung“

BERLIN taz ■ Der Kanzler war kurz angebunden: „Ich werde den Herrn Bundespräsidenten bitten, Rudolf Scharping aus dem Amt des Bundesverteidigungsministers zu entlassen“, sagte Gerhard Schröder gestern nach einer Sitzung des SPD-Präsidiums und verschwand wieder. Knapper und unterkühlter hätte der Abschied von Scharping kaum inszeniert werden können. Nachfolger wird der jetzige SPD-Fraktionschef Peter Struck. Dessen Nachfolger soll Struck zufolge der SPD-Fraktionsvize Ludwig Stiegler werden.

Scharping war als Minister immer mehr zur Skandalnudel geworden. Mal ließ er sich mit Freundin beim Baden in einer Illustrierten ablichten, dann plauderte er Angriffsziele im US-Antiterrorkrieg aus. Die schnelle Entlassung ist offenbar die Quittung für Scharpings konfuse Amtsführung, die Honoraraffäre eher Anlass als Grund. Scharping sprach von „einer gezielten Kampagne“. Der aktuelle Vorwurf lautet, dass der Exminister 140.000 Mark von dem PR-Berater Moritz Hunzinger erhalten hatte. Der Stern druckte die Geschichte gestern. Mehrere andere Zeitungen hatten das Material nicht für veröffentlichungswürdig gehalten. Scharping beteuert, er habe diese Honorare korrekt versteuert. Es gab allerdings Gerüchte, dass das für Aktiengewinne in Höhe von 20.000 Mark nicht zutreffen könnte.

Die Angst vor neuen Enthüllungen mag ein Grund gewesen sein, warum Schröder gestern ein Machtwort sprach. Er wollte offenbar verhindern, dass der SPD-Wahlkampf zusätzlich durch einen angeschlagenen Minister erschwert wird. Außerdem will Schröder – nachdem er sich im Fall Telekom von Stoiber hatte treiben lassen – Stärke zeigen. Deshalb wagt Schröder, was vor ihm noch kein Kanzler gewagt hat: einen Ministerrauswurf vor der Wahl.

Der Schritt, so Schröder, sei mit dem grünen Außenminister Joschka Fischer abgestimmt. Die Grünen-Fraktionchefs Rezzo Schlauch und Kerstin Müller sprachen von „einer verantwortungsvollen Entscheidung“.

Scharping weigerte sich gestern Nachmittag, von sich aus zurückzutreten. Vor der SPD-Präsidiumssitzung erklärte er: „Wenn ich abgelöst werde, gehe ich mit erhobenem Haupt und aufrechtem Gang.“

Traurig scheint niemand über Scharpings Abgang zu sein. Der Bundeswehr-Verband begrüßte die Entlassung. Scharping, so der Verband, leide an „mangelnder Wahrnehmungsfähigkeit“.

Bei der Union herrscht eitel Sonnenschein. CDU-Chefin Angela Merkel erklärte, die Entlassung komme ein Jahr zu spät und beweise, dass die Regierung in „chaotischem Zustand“ sei. Kanzlerkandidat Edmund Stoiber meinte, die Bundesregierung befinde sich „in Auflösung“. Schröder zeige „rapiden Autoritätsverlust“. Dass eine Bundesregierung acht Minister entlasse, sei, so Stoiber, ein „einmaliger Vorgang“. Eine Regierung mit solchen Auflösungstendenzen sei „ein Schaden für Deutschland“. Im Übrigen erklärte Stoiber, dass er die Ablösung Scharpings nicht durch die wahltaktische Brille betrachte. STEFAN REINECKE

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