: Die Dunkelziffer ist hoch
Bremer Pharma-Experte warnt vor langfristigen Hormongefahren: Unfruchtbarkeit
Der jüngste Skandal um mit Hormonen belastetes Tierfutter birgt nach Ansicht von Experten auch Gefahren für die Fortpflanzung der Menschen. „Wenn es über eine längere Zeit zugeführt wird, können vor allem bei Kindern und Jugendlichen hormonelle Veränderungen auftreten“, warnte Prof. Peter Schönhöfer in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Es gebe seit langem Hinweise auf Fruchtbarkeitsstörungen durch niedrig dosierte chronische Hormonaufnahmen im Rahmen der Nahrungskette.
Schönhöfer war früher Direktor des Instituts für Klinische Pharmakologie in Bremen und ist seit langem Mitherausgeber des „Arznei-Telegramms“, eines bundesweiten Informationsdienstes für Ärzte.
Schönhöfer verwies auf Auswirkungen des inzwischen in Deutschland verbotenen Einsatzes von Östrogen bei der Hähnchenmast. Damals seien bei Mädchen, die viel Hähnchenfleisch gegessen haben, in der Vorpubertät einseitige Brustentwicklungen beobachtet worden. Auch die Tierwelt werde längst durch hormonelle Anreicherungen im Abwasser geschädigt. „Die Vermehrung der Eisbären im Nordmeer ist gebremst, sie nehmen die Hormone über die Fische auf.“
Der jetzt aufgedeckte Skandal ist nach Ansicht Schönhöfers „noch nicht das Ende der Fahnenstange“. Es gehöre schon eine enorme kriminelle Energie auf Seiten der Unternehmen dazu, „diesen Chemie-Abfall den Rohstoffen unter zu mischen und für Tiernahrung und Getränke zu verwenden“. Schönhöfer: „Diese Schweinerei findet weltweit statt, es gibt eine hohe Dunkelziffer.“
Der EU warf der Pharmakologe vor, nicht verbraucherfreundlich zu sein, sondern “Wirtschaftsförderung um jeden Preis“ zu betreiben.
Schönhöfer forderte eine „wachere Lebensmittelüberwachung“ und schnellere Aktionen der Landesbehörden sowie höhere Strafen für Verursacher. „Wenn sich nichts ändert, werden solche Katastrophen immer wieder passieren.“
Als Verursacher des europaweiten Hormonskandals gilt ein Pharmabetrieb in Irland. Er soll Hormon-Abfälle falsch deklariert und als „Zuckerwasser“ nach Belgien geliefert haben. Dort wurde der Arznei-Müll in Süßmittel wie Melasse und Glukosesirup eingearbeitet. Von dort gelangten diese Stoffe dann in Futtermittel und Getränke.
dpa
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