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Struck bereits im Gleichschritt

30 Stunden nach seiner Ernennung schreitet Verteidigungsminister Peter Struck zum ersten Mal die Truppen ab – mit dem polnischen Staatspräsidenten Kwasniewski. 500 Rekruten vereidigt, 1.300 Gelöbnisgegner von der Polizei ausgesperrt

aus Berlin ANETT KELLER

Es war nicht etwa Peter Struck, der beim ersten Defilee vor Soldaten auf dem Paradeplatz des Berliner Bendler-Blocks aus dem Gleichschritt geriet. Generalinspekteur Wofgang Schneiderhan trippelte zunächst etwas anschlusslos hinterher, bevor er mit Bundeskanzler Gerhard Schröder, dem polnischen Präsidenten Aleksander Kwasniewski und seinem neuen Dienstherrn Struck auf einer Linie lag.

Den historischen Moment, den Exverteidigungsminister Scharping mit der Einladung Kwasniewskis vorbereitet hatte, kostete nun sein Nachfolger Struck aus. Zum ersten Mal hielt ein ausländischer Staatsmann die Gelöbnisrede bei der Vereidigung der Bundeswehrrekruten. Und gedachte gemeinsam mit Schröder, Struck und Bundeswehr den Männern des 20. Juli. Datum und Ort des Gelöbnisses erinnern an die Hitler-Attentäter um Oberst Stauffenberg. Vor 58 Jahren waren sie nach dem gescheiterten Anschlag im Hof des Bendler-Blocks hingerichtet worden.

Kwasniewski mahnte zunächst, die Geschichte habe gezeigt, dass Soldaten Angst und Tod verbreiten. Heute dagegen „kämpfen wir Schulter an Schulter für den Weltfrieden“. Die Leistungen der Truppen bei den Friedensmissionen in Bosnien, Kosovo und Afghanistan zeigten, dass die Rekruten stolz darauf sein könnten, Soldaten gerade dieser Armee zu werden. Struck zeigte sich „gerührt, wenn ich junge Männer ein solches Gelöbnis ablegen höre“. Er selbst habe zwar wegen seines Studiums nicht gedient, stehe aber der Bundeswehr nicht neutral gegenüber. Deutlich bekannte sich Struck zur Wehrpflicht als „Verbindung der Streitkräfte mit einer sich permanent wandelnden Gesellschaft“. Zugleich betonte er die Rolle der Soldaten als „Schlichter und Vermittler“.

Nach dem ersten Beschnuppern zeigte sich der Nachwuchs zufrieden mit dem neuen Chef. Wenn auch mit unterschiedlichen Wertungen. Während der eine Struck „mehr Pep“ als Scharping attestierte, wollte ein anderer „eine geradzu preußische Haltung“ des neuen Ministers gesehen haben.

Enttäuscht waren wohl nur jene, die die Motivation eines jungen Fähnrichs, zum Bund zu gehen, teilten. „Als ich damals im Fernsehen die nackten Frauen auf dem Paradeplatz sah, hab ich gedacht: da will ich auch hin.“ Gemeint war die Protestaktion der Militärgegner des Bündnisses GelöbNIX im Jahre 1999. Das Bündnis demonstrierte auch dieses Jahr, die etwa 1.300 Gelöbnisgegner wurden aber von der Polizei abgefangen. So vernahmen die 500 Rekruten und ihre Angehörigen nur von Ferne das Protestgeschrei, übertönt von zackigen Befehlen, Militärmärschen und Nationalhymne.

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