futtermittelskandale
: Die Positivliste ist positiv

David Byrne, EU-Kommissar für Verbraucherschutz, hat sich gegen eine so genannte Positivliste bei Futtermittelzusätzen ausgesprochen. Auf einer solchen Liste könnte festgelegt werden, welche Stoffe im Tierfutter verwendet werden dürfen. Alle anderen sind dann verboten. Mit seiner Meinung hat sich Kommissar Byrne gegen seine eigentliche Klientel gestellt, die Verbraucher. Sein Argument: Es müssten 10.000 Stoffe auf die Liste – und das sei schwer umsetzbar.

Kommentar von REINER METZGER

Wenn es wirklich so viele Stoffe brauchte, um Hühner, Kühe oder Schweine zu füttern, hätte der Kommissar vielleicht Recht. Aber wie kommt er auf die Idee? Es sind natürlich weit weniger. Selbst wenn diverse Abfallprodukte aus der Nahrungsmittelindustrie oder anderen Branchen weiterhin in die Tröge gelangen sollten, sind es vielleicht einige hundert Ingredienzen, wenn nicht sogar weit weniger. Und diese Zahl dürfte dann auch zu überwachen sein. Zumal sich nach ein paar Monaten nach Einführung einer Positivliste eigentlich in keinem Futtermittel- oder Zulieferbetrieb irgendwelche Stoffe finden lassen dürften, die nicht ausdrücklich genehmigt sind. Im Prinzip fällt der Verbraucherschutzkommissar damit dem Verbraucherschutz in den Rücken. Denn eine Positivliste würde die mangelhafte Überwachung der Futtermittelbetriebe vereinfachen.

Wohlgemerkt: Eine Positivliste ist kein Allheilmittel. Gegen kriminelle Arzneimittelpanscher oder Schmierölentsorger kann sie nur bedingt etwas ausrichten. Denn auf solche verbotenen Gifte wird kaum in einer Routinekontrolle geachtet. Auch erhöht die Positivliste die Bürokratie in der Agrarindustrie. Da ist Vorsicht angesagt, damit die neuen Kontrolleure nicht wieder ausgetrickst werden. Aber will man die vielen schwarzen Schafe in der Futtermittelbranche einfach weiter unbehelligt lassen? Irgendwann muss der Staat, selbst der belgische, gegen die Kriminellen in der Futtermittelindustrie vorgehen, wenn die Branche selbst es nicht schafft und vielleicht gar nicht will.

Hilfreich wäre auch eine allgemeine Entflechtung der Landwirtschaft. Wenn nicht in jedem Schweinetrog Futtermittel aus allen EU-Ländern eingemischt würden und das Fleisch dann wiederum über drei Ecken und fünf Länder vermarktet würden, hätten die internationalen Schieber weniger Chancen. Aber an einer solchen Reform des Agrarsystems wird schon zu lange gearbeitet, als dass man darauf in naher Zukunft hoffen könnte.

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