: Gegen die Schwarzmalerei
Um der Black Community in Deutschland eine Stimme zu geben, planen eine Berliner Agentur und die Initiative Schwarze Deutsche und Schwarze in Deutschland (ISD) ein Internetportal. Die Bundeszentrale für politische Bildung hilft mit
von JULIA GROSSE
Die Theater-AG eines Düsseldorfer Gymnasiums führte vor einigen Tagen einen Krimi von Agatha Christie auf. Die Geschichte, in der nacheinander zehn Leute ermordet werden, trägt den Titel „Zehn kleine Negerlein“. Für die Mutter einer schwarzen Schülerin Grund genug, demonstrativ die Aufführung zu verlassen und Beschwerde einzureichen.
Ab da ging eigentlich alles sehr schnell, denn inzwischen war auch die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) darüber informiert worden, die kurzerhand einen Aufruf über ihr Mailingsystem „Afronetz“ startete. Quasi ununterbrochen flatterten von nun an im Schulsekretariat die Beschwerden ein. „Wie kann man derart unverantwortlich und unkritisch mit Klassikern arbeiten, die klare rassistische Merkmale aufweisen?“, fragt Alethea Mushila, Journalistin und ISD-Mitglied. Nach nur einem Tag wurde dem Druck nachgegeben, das Stück nicht wieder aufgeführt und ein Gespräch mit den SchülerInnen zum kritischen Umgang mit Klassikern angestrebt.
Wichtiger als der schnelle Erfolg ist der Black Community aber die Bündelung der eigenen Potenziale innerhalb der Gemeinschaft, um in Zukunft stärker und professioneller in einer weißen deutschen Öffentlichkeit agieren zu können. Aus diesem Grund plant die Berliner Agentur „cyberNomads“ gemeinsam mit der ISD und mit Unterstützung durch die Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) den Aufbau eines Netzwerks für die Black Community in Deutschland. Ein Stadtstaat im Cyberspace. Ziel: der Aufbau einer effektiven Lobby und eines umfangreichen Bildungs-, und Kulturangebots. Beim „Black Media Congress“ im Berliner Goethe-Institut stellte die schwarze Agentur mit Schwerpunkt Erziehung, Kunst und Kultur das Konzept erstmalig vor.
People of Colour
Erschienen waren Medienexperten, die auf der Plattform ab September ihre Arbeiten veröffentlichen: Vertreter schwarzer Printmedien, wie Africa Positive oder Blite, Initiativen wie Adefra für Schwarze Frauen in Deutschland, Vertreter des „Black International Cinema“-Festivals in Deutschland sowie schwarze Filmemacher, Musikproduzenten, Studenten und Pädagogen. Geplant ist die neue Internetpräsenz als ein langfristiges Kommunikationssystem mit einem breiten Bildungs- und Informationsangebot zu Aktivitäten unterschiedlichster Menschen of Colour.
In einigen Bereichen soll die Community ganz unter sich bleiben. Wer sich dort an Diskussionsforen beteiligen oder Texte lesen will, muss sich einmalig registrieren lassen. Dann aber stehen ihm „Medien“, „Kunst“, „Erziehung“ oder „Community“ mit Informationen zu Projekten und deren Vertretern zur Verfügung.
Wer sich selbst oder sein Projekt vorstellen will, bekommt eine eigene Seite, Diskussionen, die in Zukunft über das Netzwerk geführt werden, wandern in eine große Datenbank. Hier befinden sich ein Multimediabereich sowie ein umfassendes Archiv zur schwarzen Geschichte. „Das Netzwerk ist natürlich statischer als das Mailingsystem von ‚Afronetz‘, wo auf aktuelle Vorfälle und Aktionen schnell reagiert werden muss“, sagt Ekpenyong Ani von Adefra. „Doch wird es vor allem die Möglichkeit bieten, Leute mit Fragen zum ‚Afro-Deutsch-Sein‘ auf die öffentlichen Seiten der Homepage zu verweisen.“ Und so kann sich demnächst auch die weiße deutsche Sozialpädagogin aus dem Archiv einen Text zu Problemen afrodeutscher Frauen bestellen.
Die Öffnung ist wichtig. Vor allem, wenn sich die Black Community auf Dauer stärker in den politischen Diskurs einmischen will. „Dieses Netzwerk kann eine wichtige Plattform werden, von der auch die Bundeszentrale profitieren kann“, sagt Thorsten Schilling, Leiter des Fachbereichs Multimedia & IT bei der BpB. „Es wäre denkbar, Themen wie beispielsweise zur afrodeutschen Geschichte als Formate ins Bildungswesen einzuflechten.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen