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jenni zylka über Sex & Lügen Im Streichelzoo

Necking mit Nagelrochen, Dölmern mit Plastikhamstern und andere ekelige Artenmixereien

Zugegeben: Das Piktogramm von dem kleinen Kaninchen, das mit großen, ängstlichen roten Augen auf die Menschenhand schielt, die ihm gerade sanft über die Ohren streichelt, ist schon niedlich. Jedes Mal, wenn ich die nach Gülle und Möhren stinkende Ökoshop-Creme benutze, auf der das „Ohne Tierversuche“-Bildchen prangt, freue ich mich, dass dem süßen Kaninchen nicht fieses, ätzendes Gift in die Augen gespritzt wurde, nur damit die Creme mich nicht juckt. Jedes Mal, wenn ich mich einschmiere, denke ich an das zitternde Karnickel und daran, dass ich es quasi gerettet habe. Als ehemalige Zwangskatholikin nutzt man bekanntlich auch die billigste Chance, sein Gewissen zu erleichtern.

Richtig viel weiter geht meine Tierliebe allerdings nicht. Ich besitze eine kleine Plastikkugel mit einem motorisierten Stoffhamster drin. Wenn ich ihn anschalte, dann eiert er in der Kugel ein bisschen in meinem Büro herum, knallt gegen Türen, dölmert zwischen meinen Füßen und gibt mir das Gefühl, nicht allein zu sein. Aber wenn ich in den Urlaub fahre oder drei Tage betrunken unterm Tisch liegen will, mache ich ihn aus. Und klingele nicht beim Nachbarn wegen Fütterung.

Das mit den Stadt-Haustieren habe ich noch nie verstanden. Es ist, so viel meine ich durch vorsichtiges Beobachten feststellen zu können, auf jeden Fall eine Art von Liebe, eine Art ewiger Eltern-Kind-Liebe: Das Tier bleibt immer Kind, auch eine gestandene, rheumatische Dackeldame ist noch ein kleines Hündchen. Und die erstaunlichen Pärchen, die sich in einem gewissen Alter ein Tier als Kindersatz anschaffen, machen sich in der Zwischenzeit auch in meinem Bekanntenkreis breit. Immerhin wissen sie, dass man gar nicht erst zu versuchen braucht, mich zwecks Urlaubsfütterung anzurufen. Ich würde ihnen einen ganzen Asthmaanfall husten.

Neulich habe ich einem allein stehenden Katzenbesitzer anonym (ich weiß jetzt, wie das geht!) eine ekelige Farmsex-Internetseite geschickt. Ja, ja, das ist nicht nett und vielleicht übertrieben, aber diese ganze Tierkoserei zwingt solche Scherze doch quasi herbei. Oder nicht!? Wer weiß, vielleicht würde ich mich freuen, wenn ich alt und faltig und einsam mit meiner ultrakargen Riesterrente im Portemonnaie vom monatlichen 0er-Jahre-Revival-Treffen gewackelt komme, und zu Hause schlabbert mich erst mal mein treuer Cockerspaniel ab, der Einzige, der noch mit mir schmust. Ich glaube aber nicht. Ich finde, man sollte schmusemäßig doch weitgehend seiner eigenen biologischen Art treu bleiben. Die ist schließlich breit gefächert und damit spannend genug. Wobei mir ein Gespräch mit einem befreundeten Biologen einfällt, der sich fragte, warum der Mensch eigentlich nicht eine extrem starke Anziehung gegenüber genetisch weit entfernten potenziellen PartnerInnen empfindet, warum also nicht automatisch meinetwegen Japanerinnen prinzipiell auf Nigerianer stünden. Denn dann, so folgerte er, wäre die genetische Bandbreite am größten, die ja immerhin Vermehrungen möglichst weit weg von den eigenen Familiengenen garantieren und somit Inzest verhindern soll. Zumal ich, um kurz noch mal auf das schmutzige Thema zu kommen, in einem wissenschaftlichen Liebeslexikon gelesen habe, dass in der Tierwelt diese Artenmixereien beim Tändeln durchaus vorkommen. Es verlieben sich Hündinnen in Hengste und Katzendamen in Storchmänner. Übrigens auch in homosexueller Form: Es wurde von einem lesbischen Doppelponystuten-Elefantinnen-Verhältnis berichtet und, was eindeutig der Gipfel ist, von einem flotten Dreier zwischen einem Ziegenbock und zwei Eselhengsten. Beruhigend zu wissen, dass alles, was man sich an unerhört verbotenen und wilden Sexkonstellationen ausdenkt, schon mal von einer Doppelponystute oder einem verschlagenen Ziegenbock durchgeführt worden ist.

Jedenfalls gibt es, wenn ich so darüber nachsinne, doch ein Tier, mit dem ich gerne Schmusen würde: den Nagelrochen. Der Nagelrochen ist dieses Fischgetier, das aussieht wie ein lächelndes, weißes Kopfkissen, und das der liebe Gott am siebten Tag erschaffen hat, als er seinen schweren Kopf gerade auf seine Laken gebettet hatte und merkte, WIE gemütlich solch ein Lager mit dicken, weichen Kopfkissen doch ist. Mit so einem schmunzelnden Nagelrochen ließe ich es vielleicht sogar bis zum Necking kommen, weiter würde ich aber nicht gehen, jedenfalls nicht am ersten Abend.

Fragen zu Sex & Lügen?kolumne@taz.de

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