Schick als Schock

Modefotografie von 1980 bis 2000 zeigt die Ausstellung in den Hamburger Deichtorhallen, „Archeology of Elegance“

Er inszenierte Mode erstmals als ein lebensgefährliches Unternehmen, den Schick als Schock, und damit darf er als Ahnherr all jener Fotografen gelten, die Mode in Lifestyle umkodierten. Für seine Kampagne für Schuhe von Charles Jourdan fotografierte Guy Bourdin 1975 den nächtlichen Schauplatz eines Autounfalls, dessen Signatur in einem schweren Wagen, einer Kreidezeichnung und zwei vergessenen pinkfarbenen Pumps bestand. Das war fünf Jahre vor dem Datum, das die Ausstellung „Archeology of Elegance“ in den Hamburger Deichtorhallen (bis 9. September) über 20 Jahre Modefotografie von 1980 bis 2000 als den Beginn ihrer Bildrecherche nennt. Die Kuratoren nahmen die Aufnahme dennoch in die Schau auf und benennen so, in einem Bild, die Grundannahme ihrer Arbeit.

Das ist brillant, doch bei Präsentation und Hängung der Fotografien zeigen sich Schwächen: Warum welches Bild „Punkrock“, „Glamour“, „High-tech und Futurismus“ oder „Kunst“ zugerechnet wird, ist nicht wirklich ersichtlich; vier Stichworten, deren Erklärungsbedarf selbst höher scheint als ihr Informationsgehalt. Und auf die Dauer ermüdet es, 150 Fotografien von 64 Fotografen im immer gleichen Gursky-Großformat zu sehen. Selbstverständlich ist Modefotografie als überdimensionierte Reproduktion, als quadratmetergroßes Plakat mit Raster und typografischen Elementen schon lange bekannt. Doch der Abzug war bis in die Neunzigerjahre klein. Erst dann entdeckten die Modefotografen den überdimensionalen Print – als auch sie endlich ins Museum kamen. Auf Dauer wirkt dieses Museumslayout aber öde und die Reinheit der Bilder bar jeden Logos schal.

Ulf Poschardt, der die Schau mit kuratiert hat, ist doch mehr Zeitschriftenmann als Ausstellungsmacher. Denn das, was in den Deichtorhallen wenig motiviert erscheint, fügt sich in dem die Schau begleitenden Fotoband (Schirmer und Mosel Verlag, München 2002, 78 €) aufs Beste. Poschardts kurze Texte zu den Stichworten sind informiert und engagiert, und der Zugriff auf das Konvolut der Bilder, den die Schlagworte versuchen, wird im Lauf der Argumentation denn auch prinzipieller. Wenn Poschardt darlegt, wie sich die Fotografie in den vergangenen zwanzig Jahren eine Deutungshegemonie gegenüber der Mode erkämpfte und die Fotografen nun ihre Definitions- und Übersetzungsleistung als unhintergehbar begreifen, erklärt sich auch deren Drang, an der Museumswand wenigstens wie ein Thomas Struth oder Andreas Gursky aufzutreten.

Im Buch haben die Bilder eher ihr richtiges Maß, sie sind näher an der Zeitschrift, dem kardinalen Ort ihrer Wahrnehmung. Die Bilder wirken aktueller, und wenn Mode und Modefotografie eine wesentliche Funktion haben, dann liegt sie darin, wie der Literaturwissenschaftler Hans Ulrich Gumbrecht richtig bemerkt, dass das „Interesse an ihnen eine ständig erneuerte Konzentration auf die Gegenwart bewirkt“. Aber warum nicht die Archäologie der Eleganz ergründen, wenn am Ende die Geistesgegenwärtigkeit des Style steht?

BRIGITTE WERNEBURG