piwik no script img

Soko Medicus deckt Rezeptbetrug auf

Polizei ermittelt gegen sechs Apotheker und einige Patienten. Sie sollen die Kassen um mehrere hunderttausend Euro gebracht haben. Im Tausch gegen Rezepte gab es Parfüm und Möbel, Betrug auch mit Aids-Medikamenten

Die Berliner Polizei hat Rezeptbetrügereien im großen Stil aufgedeckt. Mindestens sechs Apotheken sollen daran beteiligt sein. Der Schaden: mehrere hundertausend Euro. Das bestätigte gestern der Chef der 16-köpfigen Sonderermittlungskommission Medicus, Jörg Engelhardt der taz.

Drei Apotheken in Neukölln und Wedding sollen „einen richtigen Kolonialwarenhandel“ betrieben haben, sagt Engelhardt. Patienten reichten Rezepte ein und bekamen dafür statt Arzneimitteln teure Parfüms, Möbel oder Kinderwagen. Die Apotheker ließen sich die Rezepte dann von den Krankenkassen erstatten. In einer der drei Apotheken fanden die Ermittler bei einer Durchsuchung neue Betten, die zum Abholen standen. Mit den drei Apothekern beschäftigt sich jetzt die Staatsanwaltschaft.

Betrügereien soll es auch mit Aids-Medikamenten gegeben haben. Mindestens drei Fälle seien bekannt, in denen Patienten zu mehreren Ärzten gegangen seien und sich von ihnen Rezepte für die teuren Medikamente hätten ausstellen lassen, sagt Engelhardt. Von den Apotheken bekamen die Patienten dafür ein Teil des Geldes, das die Kassen für die Präparate zahlen. In einem Fall soll eine Frau versucht haben, Aids-Mittel nach Afrika zu verkaufen. Sie sitzt jetzt in Untersuchungshaft.

Außerdem bemerkten Mitarbeiter der Soko-Medicus, dass ein Apotheker eine Art Schlepper vor Aids-Schwerpunktspraxen postierte. Die Schlepper überzeugen die Patienten, ihre Rezepte nur bei einer Apotheke einlösen. Dafür bekommt der Patient dann eine Belohnung, zum Beispiel zehn Prozent des Rezeptwerts. Der Apotheker kann seinen Umsatz extrem steigern. Das ist kein Betrug, sondern unlauterer Wettbewerb. Hinweise auf die Betrugsfälle erhielten die Ermittler von den Krankenkassen, die wiederum von Ärzten, Patienten und auch anonym Tipps bekommen hatten. „Wir sind dem dann nachgegegangen“, sagt der Sprecher der Ersatzkassen, Andreas Kniesche. „Wir haben zum Beispiel alle Rezepte für bestimmte Aids-Präparate überprüft.“ Wenn sich jemand Aids-Medikamente von verschiedenen Ärzten ausstellen lasse, das sei auffällig. Diese Auffälligkeiten haben die Kassen dann an die Polizei weitergeleitet. SABINE AM ORDE

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen