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Wie handle ich den Preis runter?

von KATHARINA KOUFEN

Das deutsche Rabattgesetz war 1933 erlassen worden, hauptsächlich, um die Käufer vor Irreführung zu schützen. Zwei Generationen wurden groß, ohne das Feilschen gelernt zu haben – und angeboren ist den Deutschen diese Kunst nun wahrlich nicht. Das hat sich in den letzten zwölf Monaten gezeigt. So zahlen die meisten Käufer auch ohne Rabattgesetz weiterhin brav, was auf dem Preisschildchen steht. Ein Selbstversuch von Redakteuren dieser Zeitung in diversen Berliner Läden und Cafés scheiterte kläglich. („Det Sandwich kostet drei Euro fuffzich, und wenn Se det wollen, dann müssen Se det ooch bezahlen.“) Lediglich ein Bäcker war zu einem geringen Preisnachlass bereit, aber auch erst „ab zwei Blech Kuchen“. Allerdings ist es im Lebensmittelhandel und in der Gastronomie auch besonders schwer, Rabatte auszuhandeln. In Elektrogeschäften, Baumärkten oder Kleiderläden ist es einfacher. Wenn Sie das Feilschen üben wollen – wir geben Ihnen dazu die nötigen Tipps.

1. Verschaffen Sie sich eine Marktübersicht: Was gibt es wo am billigsten? Bevor Sie in ein Geschäft gehen, überlegen Sie genau, welches Produkt sie wollen. Das Fahrrad von Peugeot oder von Giant? Und warum? Sätze wie: „An diesem Fahrrad überzeugt mich vor allem seine klassische Cantileverbremse auf Anlötsockeln an Gabelscheiden und Hinterbaustreben …“, wirken kompetent und beeindrucken einen Verkäufer. Prägen Sie sich besonders die Schwachpunkte eines Produkts ein. Sollte der Verkäufer sich nicht auf eine Fachdiskussion einlassen, versuchen Sie es mit Betriebswirtschaft: Bekannterweise schlagen Händler doch sowieso das Doppelte auf den Einkaufspreis drauf. Sagen Sie dem Verkäufer: „Bei 10 oder 15 Prozent Rabatt machen Sie auch noch guten Gewinn.“ Wenn Sie dann noch die Preise der Konkurrenz im Kopf haben, sind Sie gewappnet.

2. Legen Sie Ihr persönliches Limit fest. So viel und nicht mehr sind Sie zu zahlen bereit.

3. Kommen Sie zur richtigen Zeit! Kurz vor Ladenschluss wird kein Verkäufer mehr feilschen. Besser kommen Sie unter der Woche vormittags, da haben Verkäufer nicht so viel zu tun. Vermeiden Sie in jedem Fall Großkampftage. Am Beginn des Sommerschlussverkaufs hat niemand für Sie Zeit.

4. Bringen Sie Verstärkung mit: Mit ein oder zwei Freunden im Rücken fühlen Sie sich sicherer. Wenn Ihnen die Argumente ausgehen, wird Ihrer Begleitung etwas einfallen. Im Internetforum „Ciao Café“ erzählt ein Feilscher: „Meine Frau geht zuerst allein in den Laden, schaut sich nach Klamotten um und fragt nach den Preisen. Ich komme dann nach, schaue mich ebenfalls um und frage. Jetzt kann die Verkäuferin sich nicht mehr auf einen allein konzentrieren, das ist ein Vorteil für uns. Erst wenn wir beide einen Haufen Sachen ausgesucht haben, zeigen wir, dass wir zusammengehören. Wir achten immer darauf, dass alles zusammen einen krummen Preis ergibt, runden nach unten ab und schlagen diesen Preis dann vor.“

5. Zeigen Sie Selbstbewusstsein – und Charme. Fragen Sie nicht: „Wie viel Rabatt würden Sie denn geben?“, sondern: „Geht auch 120 statt 150 Euro?“ Oder Sie sagen: „Wenn Sie mir zehn Prozent Rabatt geben, nehme ich die Hose und die Jacke noch dazu.“

6. Fangen Sie keinesfalls an, zu gestikulieren. Erheben Sie nie die Stimme. Der deutsche Fachhandel ist kein arabischer Markt. Ein deutscher Verkäufer ist ans Handeln nicht gewöhnt und piepst womöglich die Sicherheitsleute an, wenn Sie ihn am Ärmel reißen. Oder es geht Ihnen wie jenem Kunden in einem Elektrogeschäft bei Mönchengladbach: Als er handeln wollte, schrie der Verkäufer ihn zunächst an, dann holte er einen Schlagstock hinter der Theke hervor.

7. Stellen Sie keine unrealistischen Forderungen. Mag ja sein, dass sich in der Türkei oder in Marokko der Preis spontan dort bildet, wo Angebot und Nachfrage sich treffen. „Tausend marokkanische Dirham“ für eine Markenjeans sind ein Vorschlag, kein Preis. Wenn der Käufer dann „fünfhundert Dirham“ als Gegenvorschlag nennt, kostet die Hose schließlich um die 750 Dirham. Unsere Verkäufer sind aber keine Händler – noch nicht. Sie sind es gewohnt, dass auf jeder Ware ein bedrucktes Preisschild klebt. Und dieser Preis wird gezahlt.

8. Achten Sie auf Mängel! Fehlt an der Jacke vielleicht ein Knopf, zieht der Wollpulli Fäden, wirkt das Kaffeetassenensemble schon etwas eingestaubt? Unbedingt Rabatt verlangen! Vielleicht stehen die Tassen ja schon seit Monaten im Laden herum, und keiner mag sie kaufen. Um so besser für Ihre Verhandlungsbasis. Sie dürfen aber keinesfalls enthusiastisch wirken, im Gegenteil. Kleine despektierliche Bemerkungen – „Ach, so ein Service hatte meine Großtante auch“ – signalisieren dem Verkäufer, dass er Ihnen dankbar sein muss, wenn Sie ihn von seinem Ladenhüter befreien.

9. Locken Sie mit Barem, statt mit Kreditkarte zu zahlen. Vor allem wenn es um viel Geld geht. Wenn es irgend geht, verkaufen Sie ein paar Bundesschatzbriefe oder kramen Sie Ihr Sparkonto heraus – es lohnt sich. Einer der Chatter im Internetforum berichtet, er habe sein Auto bar bezahlt und damit 2.000 Mark gespart.

10. Versuchen Sie es mit einer Zugabe, wenn der Verkäufer nicht mit sich reden lässt. Zahlen Sie in Gottes Namen den vollen Preis für die teure Jacke, aber lassen Sie sich noch einen Schal dazugeben, umsonst, versteht sich. Oder verlangen Sie gleich die Paketlösung: „Wenn ich beide Hosen nehme, geben Sie mir den Rock dann auch noch dazu?“

11. Kaufen Sie antizyklisch. Das Schlauchboot im Herbst, die Skier im Frühling. Dann erstehen Sie nämlich Restposten, die ansonsten nur das Lager verstopfen würden. Außerdem wissen die Verkäufer, dass gerade bei Sport- und Modeartikeln in der nächsten Saison ohnehin wieder etwas ganz anderes gefragt sein wird. Sie haben also gute Chancen, einen Preisnachlass zu belommen. Im „Ciao Café“ berichtet ein Feilscher, er habe im letzten Herbst „lange genug vor Weihnachten, aber am Ende der Radlerzeit“ ein Fahrrad für seine Tochter von 550 auf 400 Mark heruntergehandelt.

12. Üben Sie auf dem Flohmarkt! Auch wenn Sie noch so schüchtern sind – auf dem Flohmarkt ist Feilschen ganz einfach. Und wenn Sie es schlau anstellen, erhalten Sie jede Menge Zugaben, ganz umsonst. Vielleicht einen alten Staubsauger, der nur manchmal den Staub wieder hinten rauspustet. Oder eine der Lichterketten, die zurzeit der absolute Flohmarktrenner sind, auch wenn die Birnen eigentlich nie funktionieren.

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