: Warmer Regen in der Hitze
Der Sommerschlussverkauf hat begonnen. Der Handel schwärmt von einmaligen Preisnachlässen mit bis zu 70 Prozent. Denn die übervollen Lagerbestände sollen endlich Käufer finden
von WOLF VON DEWITZ
Draußen auf dem Alexanderplatz hasten nur wenige Passanten am Springbrunnen vorbei – zu drückend ist die Hitze, zu stark die Sonne. Drinnen im Kaufhof ein völlig anderes Bild: Warten vor übervollen Rolltreppen, Gedränge vor Ramschtischen. Der Sommerschlussverkauf (SSV) hat begonnen.
Unter eine Rolltreppe hat sich ein Sonderstand für Handtaschen gepresst. Statt 40 Euro kosten dort Plastikhandtaschen nun 12,45. Durch das Gewühl stürzt sich eine rustikale ältere Frau. „Du hast doch schon genug davon“, möchte ein älterer Herr hinter ihr sie stoppen. „Mensch, Hermann, denk doch mal nach“, entgegnet die Dame gereizt, „bei den Preisen – da muss man doch zuschlagen.“ In ihren Händen hält sie ein dunkelbraunes Exemplar, als sei es ein Pokal.
Abseits vom Gedränge steht Kaufhof-Geschäftsführer Detlev Steffens. „Wir sind zufrieden“, sagt er lächelnd. Insbesondere Badewäsche und T-Shirts werden endlich gekauft – ganz im Gegensatz zu den letzten verregnet-kühlen Wochen. Die Kundschaft kommt wie in letzter Minute, denn: „Die Kaufzurückhaltung in diesem Jahr war enorm. Nun muss die Ware endlich weg“, so Steffens. In ein bis zwei Wochen schon kommt die Herbstkollektion, das Lager hingegen ist noch voll mit Sommerware.
Gewohnheitsgemäß beschaulicher geht es an der Friedrichstraße zu. Wie der Kaufhof hat die Galerie Lafayette schon in den letzten zwei Wochen die Preise runtergesetzt. „30 bis 50 Prozent, nun sind es 50 bis 70 Prozent“, erklärt Pressesprecher Christoph Sowa. „Die Zahlen dieses Jahr sind nicht so gut“, bestätigt Sowa die allgemeinen Verkaufseinbußen des Einzelhandels. Doch seit der Preisreduzierung „läuft es wieder“.
Noch weiter westlich auf dem Ku’damm sorgt sich Wertheim-Geschäftsführer Volker Pesarese, um die Schnäppchenkunden: „Es ist einfach zu heiß.“ Tendenziell habe sich Wertheim der Krise im Einzelhandel nicht entziehen können, umso wichtiger sei nun der SSV. Dann verschwinden seine Sorgenfalten. Er spricht vom „interessantesten Sommerschlussverkauf der Nachkriegsgeschichte“, denn volle Lager seien immer etwas Interessantes für den Endverbraucher.
Gleich gegenüber unterstützt Karina Bauer bei Görtz solche Lockrufe an die Schuhkäufer. Wie jedes Jahr gebe es einen „Run auf den SSV“. Davon ist im halb leeren Geschäft nicht allzu viel zu merken. Nach kurzen Zögern gibt Bauer das zu und übt sich in Zweckoptimismus: „In den nächsten Tagen kommt der Kundenandrang allmählich.“ Das Kaufverhalten habe sich seit der Euroeinführung verändert. Von Krise will sie dennoch nicht sprechen. „Ich möchte das nicht negativ sehen“, erklärt Bauer, zumal der Juli sehr gut gelaufen sei.
Bei Benneton ist man einen Schritt weiter. „Der SSV ist für uns schon gelaufen“, sagt eine Filialleiterin. „Das Lager ist leer.“ Denn seit in den letzen zwei Wochen reduziert wurde, sind die Regale geradezu leer gekauft worden. Dort liegt nun schon die Herbstkollektion zu regulären Preisen. Eitel Sonnenschein? „Wir haben einfach Glück gehabt“, erklärt die Verkäuferin nachdenklicher. Denn: „In diesem Jahr überlegen sich die Kunden dreimal, was sie kaufen wollen und ob überhaupt.“
Erste positive Reaktionen kamen vom Berliner Einzelhandelsverband. Die Kundenfrequenz habe in den ersten Stunden rund 50 Prozent über dem Vorjahresniveau gelegen, sagte Verbandssprecher Jan Holzweißig. Der SSV sei ein „kleiner warmer Regen“. Auf Grund der hohen Preisnachlässe rechnet Holzweißig allerdings nicht damit, dass der Umsatz gegenüber dem Vorjahr in bedeutendem Maße gesteigert werden könne.
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