: Frühstück bei Bulgari
Product Placement findet jetzt auch in Romanen statt: Angesichts der Krise der Buchbranche suchen die deutschen Verlage nach neuen Möglichkeiten, ihre Programme zu finanzieren. Doch Sponsoring lohnt sich vor allem für die großen Häuser
von JÖRG SUNDERMEIER
Als im Juni dieses Jahres endlich das Buchpreisbindungsgesetz im Bundestag verabschiedet wurde, hieß es, das deutsche Buchgeschäft werde uns in der bekannten Form erhalten bleiben. Für die Kunden hat sich also zunächst nichts geändert. Die Buchpreise bleiben, das ist durch das neue Gesetz garantiert, einheitlich und sie werden auch weiterhin so niedrig sein.
Niedrig? – Stimmt schon. Im Verhältnis zu einem Restaurantbesuch oder zu den CD-Preisen hat sich die Ware Buch in den letzten Jahren tatsächlich kaum verteuert. Und das, obschon, gemessen etwa an CDs, die Marge für Verlage, Vertriebe und Buchhändler sehr gering ist. Wenn 5.000 Exemplare eines Titels verkauft werden, der zu einem mittleren Preis in den Läden steht, heißt das nicht, das Buchhändler, Autor und Verlag einen guten Schnitt gemacht haben.
Im Gegenteil. Viele mittlere Verlage, die Titel in dieser Auflagenhöhe verkaufen, überleben inzwischen nur, weil sie Nebenrechte handeln können oder Wandkalender mit Katzenfotos im Programm führen. Und so forderte schon einen Monat nach der Verabschiedung des Preisbindungsgesetzes der Vorstand der Kurt-Wolff-Stiftung, die sich um kleinere Verlage kümmert, „langfristige Staatsdarlehen an unabhängige Buchhandlungen und Verlage“. Die Branche ist in der Krise.
Diese Situation ist entstanden, da auf dem Buchmarkt in den letzten zehn Jahren Begriffe wie Monopolisierung und Verdrängungswettkampf alltäglich geworden sind. Konzerne wie Springer oder Bertelsmann kaufen Verlage auf und stoßen andere ab, und Buchhandelsketten kämpfen heftig um Kunden. Doch der Branchenkrieg soll die Kunden gerade jetzt nicht erreichen. Da die Fachpresse bereits von einem „Käuferstreik“ redet, werden die Verlage die Preise nicht erhöhen. Bücher werden also preiswert bleiben.
Verlage und Autoren müssen darum andere Wege finden, um die Gewinnspanne zu erhöhen. Autorinnen und Autoren sind es eh gewohnt, dass sie nicht viel an ihren Büchern verdienen –das Honorar ist alles andere als üppig, es liegt in der Regel bei weniger als zehn Prozent vom Ladenpreis des Buches. Bis vor wenigen Jahren konnten sich Freischaffende allerdings mithilfe von Stipendien und Preisen sowie von Lesungen ernähren. Doch die Preise für Lesungen sind eingebrochen und die Fördermittel der öffentlichen Hand sind drastisch gekürzt worden.
Einer der Wege, die aus der Krise der Buchbranche hinausführen sollen, ist eine Neuauflage der guten alten Verbindung von Werbung und Literatur. Gerne gesehen wird das allerdings nicht. Die Krimiautorin Val McDermid zum Beispiel wurde heftig kritisiert, weil sie im Auftrag von BMW einen – als Romananfang auftretenden – Werbetext für den neuen Mini Cooper geschrieben hat. Dabei hat sie sich nur auf das Feld begeben, auf dem sich andere Autoren – etwa Wedekind, Brecht, Enzensberger – schon längst befunden haben: Sie alle arbeiteten bekanntlich als Werbetexter.
Andere experimentieren derweil mit Product-Placement. Auch das ist umstritten: Als bekannt wurde, dass Fay Weldon für ihren Roman „The Bulgari Connection“, der im September auf Deutsch erscheint, einen Betrag in unbekannter Höhe vom Bulgari-Konzern bekommen hat, hagelte es Verrisse. Dies untergrabe die Glaubwürdigkeit des Autors, sagte etwa Letty Cottin Pogrebin, die Präsidentin der mächtigen amerikanischen Authors’ Guild. Weldon meinte dagegen: „The Bulgari Connection ist technisch gesehen kein Product-Placement-Roman, nicht mehr jedenfalls als Truman Capotes ‚Frühstück bei Tiffany‘.“ Außerdem müsse auch sie ihr Geld verdienen.
Autorinnen und Autoren waren stets gezwungen, ihre Texte zu verkaufen – und dafür Kompromisse einzugehen. Nicht wenige beklagen sich, dass sie auf Drängen ihres Verlages eine Bettszene in ihre Bücher einbauen mussten. Zudem sind politische Äußerungen von freiberuflichen Autorinnen und Autoren oft davon geprägt, dass man auf Stipendien, Preise etc. angewiesen ist. Insofern markiert Weldons Product-Placement-Roman vielleicht sogar den Anfangspunkt der Entkoppelung des Autors von Verlag und öffentlichen Fördergeldern. Als ernst zu nehmender Marketing-Partner wird der Autor schließlich zum autonomen Geschäftsmann.
Die Probleme, die aus Werbeallianzen und Product-Placements entstehen können, lassen sich in der Theaterszene beobachten, in der diese und ähnliche Strategien in den letzten Jahren bereits ausführlich erprobt wurden. Dabei ist es gar nicht so, dass gesponserte Produktionen schlechter sind als andere. Doch werden im Hinblick auf die Geldgeber einige Stücke einfach nicht mehr gespielt: Man glaubt, Konzessionen an den Sponsor machen zu müssen, also zensiert man sich selbst.
Auf dem Buchmarkt übertragen heißt das, dass vor allem die Verlage Gefahr laufen, durch die neuen Marketing-Partnerschaften Zugeständnisse zu machen. Auch sie werden ihre Programme „sponsorengerecht“ gestalten. Vor allem aber können die, bei denen sich Sponsoring wirklich lohnt, also die großen Verlagshäuser, mithilfe der Werbung ihre Verkaufspreise senken. Und das von RTL, ZDF, aber auch von Nutella oder Iglo gesponsorte Buch ist ja bereits ein Alltagsgegenstand – man denke nur an Verona Feldbuschs Spinatkochbuch.
Einige Verlage überlegen auch, wieder Anzeigen in die Bücher einzudrucken: Der Rowohlt Verlag konnte ja lange Jahre dank der Werbung für „Pfandbriefe und Kommunalobligationen“ sehr günstige Taschenbücher anbieten. So werden dann die Verlage, die aufgrund ihrer hohen Auflagen eh schon sehr günstig drucken, den Abstand zu den Preisen von Büchern aus mittleren und kleineren Verlagen weiter vergrößern.
Denen bleibt wenig. Die traditionsreichen mittleren Verlage Bleicher, der hervorragende Judaica verlegte, und Espresso, ehemals Elefanten Press, der in diesem Jahr 25 Jahre alt wird, haben bereits jetzt schon aufgegeben, weil sie bei dem Preiskampf und der Konkurrenz nicht mehr mithalten konnten. Weitere werden folgen. Trotz Sponsoring. Oder gerade deswegen.
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