: Am Bildschirm unterschreiben
Vor fünf Jahren ist in Deutschland ein Gesetz in Kraft getreten, das digitale Signaturen rechtskräftig macht. Aber fast niemand wendet es an
von KONRAD LISCHKA
Die digitale Signatur hat in Deutschland viele Fans. Einen „handfesten Vorteil beim internationalen Wettbewerb“ hatte Anfang 1998 Bundesforschungsminister Jürgen Rüttgers darin erkannt. Er ließ sich „Zukunftsminister nennen, und gehört zu den Erfindern jenes deutschen Gesetzes über die digitale Signatur, das noch heute nicht so recht gegenwärtig ist. Berühmter ist Rüttgers jedenfalls für seine spätere Parole „Kinder statt Inder“ geworden.
Otto Schily, Innenminister der nächsten Regierung, sprach letztes Jahr von einer „entscheidenden Schlüsseltechnologie“; und sicher, dass „im Jahr 2005 nahezu jeder eine solche Technologie einsetzen wird“, war sich noch im vergangenen Herbst der Geschäftsführer der Post-Tochter „Signtrust“. Die ist inzwischen allerdings aufgelöst. Und das, obwohl die Hälfte der deutschen Internetsurfer laut Umfragen die Signatur für sinnvoll hält. Doch fünf Jahre nachdem das deutsche Signaturgesetz am 1. August 1997 in Kraft trat, gibt es noch immer deutlich mehr Signaturfans als Signaturanwender.
Gut und teuer
Dabei hat der Gesetzgeber seit 1997 vieles richtig gemacht. Nach zivilrechtlichen Anpassungen im vergangenen Jahr sind digitale Signaturen heute sogar der eigenhändigen Unterschrift gleichgestellt. Allerdings nur so genannte qualifizierte Signaturen. Das Problem sind die Kosten für diese Qualität.
Das Schlüsselpaar der qualifizierten Signatur erzeugt die von der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) genehmigten Zertifizierungsdienstleister. Den öffentlichen Schlüssel kann jedermann abrufen, um eine Unterschrift zu überprüfen. Mit dem privaten Schlüssel unterzeichnet der Signaturinhaber. Wie das technisch genau umzusetzen ist, schreibt das Gesetz zwar nicht vor, doch es macht zur Auflage, dass eine Signaturerstellungseinheit bei minimalem Missbrauchsrisiko eindeutig einem Erzeuger zugeordnet sein muss. Das erfüllt heute nur die so genannte Smartcard-Technologie. Auf einer solchen Karte erhält der Nutzer seinen privaten Schlüssel. Zum Signieren schiebt er die Karte in ein an den Computer angeschlossenes Lesegerät und tippt seine PIN ein.
Die Investitionskosten sollen derzeit umgerechnet auf jedes ausgestellte Schlüsselpaar mit Smartcard 1.300 Euro betragen. Den Nutzer hingegen kostet heute ein Startpaket bei der Bundesdruckerei-Tochter „D-Trust“ 56,84 Euro im Jahr. Doch selbst bei diesen Preisen bleibt die Nachfrage eher niedrig. Denn warum sollen Anwender in eine Technik investieren, für die nur wenige Einsatzmöglichkeiten existieren? Und warum sollen Unternehmen Angebote entwickeln, deren technische Grundlage kaum jemand einsetzt?
Wegen dieses Problems will der Staat helfen und die Verbreitung der digitalen Unterschrift selbst vorantreiben. Alfred Tacke, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi), sagt: „Ich setze auf die Lokomotive öffentlicher Dienst – die Wirtschaft muss da allerdings mitziehen, sonst läuft nichts.“
Das Projekt „Bund Online 2005“ soll innerhalb von drei Jahren 350 E-Government-Dienstleistungen für Bürger, Unternehmen und Verwaltungen onlinefähig machen. Ein Viertel davon wird mit der digitalen Signatur abzuwickeln sein. Dafür investiert der Bund 1,65 Milliarden Euro.
Nun kommt die Masse der User aber eher mit den Verwaltungen der Bundesländer und Kommunen in direkten Kontakt, und der deutsche Föderalismus hat bisher einen einheitlichen Standard verhindert – sofern Kommunen überhaupt online erreichbar sind. Noch immer ist das die Ausnahme, obwohl das Forschungsministerium 1998 den Städtewettbewerb „Medi@komm“ ausgelobt hatte. Die drei besten Konzepte fördert das BMWi seitdem mit jeweils etwa 10 Millionen Euro. Die ersten Ergebnisse: In Bremen kann man mit einer qualifizierten Signatur den Stadtwerken seinen Zählerstand mitteilen oder beim Standesamt eine Heiratsurkunde bestellen. Esslingen bietet Signaturinhabern die Onlineanmeldung zur Hundesteuer und die Onlinebaugenehmigung. Und in Nürnberg kann man seinen Anwohnerparkausweis im Internet bestellen. Eine herausragende, deutschlandweit verfügbare Anwendung der digitalen Signatur für Privatpersonen wird wohl ab dem kommenden Jahr die elektronische Steuererklärung sein.
Papier ist geduldiger
Dennoch ist fraglich, ob E-Government allein die Privatanwender für die digitale Signatur begeistern wird. Denn ein Durchschnittsbürger erledigt im Jahr höchstens drei bis fünf Behördengänge. Für andere Zielgruppen kann die digitale Signatur in der ersten Phase deutlich attraktiver sein. Zum Beispiel für Autohäuser, Notare oder Unternehmen, die Aufträge vom Bund haben wollen. Die Bundesregierung hat in diesem Jahr das mit 4,5 Millionen Euro geförderte Projekt „Öffentlicher Eink@uf Online“ gestartet. Mittelfristig ist das Potenzial bei öffentlichen Aufträgen für insgesamt 250 Milliarden Euro im Jahr immens.
Allerdings gibt es bei der gesetzlichen Rahmensetzung für unternehmensrelevante Angebote Probleme. So erkennt zum Beispiel das Umsatzsteuerrecht seit Anfang des Jahres auch elektronische Rechnungen an – allerdings nur solche mit höchster Sicherheitsstufe. Schriftliche Rechnungen müssen hingegen nicht zwingend handschriftlich unterschrieben sein. Eine „inakzeptable Benachteiligung elektronischer Dokumente gegenüber ihren papiernen Pendants“, kritisierte denn auch der Verband der IT-Branche, Bitkom. Der Referent für IT-Sicherheit, Stefan Grosse, führt aus: „Das Signaturgesetz stellt prinzipiell nicht zu hohe Anforderungen, darin sind ja ausdrücklich auch einfache und fortgeschrittene Signaturen erwähnt. Aber diese tauchen bei der Neufassung anderer Gesetze nicht auf, da ist fast ausschließlich von qualifizierten Signaturen die Rede.“
Verfallsdaten
An den Qualitätsanforderungen des Gesetzes allein ist die digitale Signatur jedoch nicht gescheitert. Jürgen Schwemmer von der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post verteidigt die Stufen: „Man muss unterscheiden, ob eine Signatur dasselbe wie eine eigenhändige Unterschrift und ein Pass oder dasselbe wie eine Geldbörse leisten soll.“ Unterschriften sollten bei bestimmten Verträgen lange Zeit haltbar sein. Genau das leistet die qualifizierte Signatur akkreditierter Anbieter. Diese müssen ihr öffentliches Verzeichnis 35 Jahre lang verfügbar halten und der RegTP bei einer Insolvenz die Weiterführung ermöglichen.
Nur mag sich noch kaum ein Unternehmer auf dieses Qualitätsmanagment einlassen. Es fehlt auf jeder Stufe der Haltbarkeit digitaler Signaturen an Angeboten. Dieses Problem kann man auch von der anderen Seite angehen: Die japanische Regierung wird im nächsten Jahr 15 bis 20 Millionen Ausweise mit Chip und Signierfunktion kostenlos ausgeben. Ähnliches plant auch Malaysia. Statt Anwendungen zu schaffen, um Privatanwender zu locken, verbreitet der Staat hier die Anwenderbasis, um die Signatur interessant für die Wirtschaft zu machen. In Deutschland soll jetzt eine Machbarkeitsstudie für den digitalen Personalausweis ausgeschrieben werden.
Vergleichsweise einfach hat Anfang Juli die südkoreanische Regierung die Verbreitung der digitalen Signatur gesichert: Die Bankaufsicht beschloss kurzerhand, dass ab Mai 2003 Onlinebanking und -broking ausschließlich mit digitaler Signatur erlaubt sind.
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