Aromawolken in allen Gassen: Der dritte deutsche Käsemarkt Ende August in Nieheim/Kreis Höxter:
Die deutsche Käseproduktion – reden wir nicht lange drum herum – ist auf den Hund gekommen. Noch immer sind weit mehr als neunzig Prozent aller Käse standardisierte Massenware für den Export und für die Supermarktregale.
Hauptsache billig, Hauptsache von immer gleichem Geschmack. Supermärkte und ein Angebot individueller hochwertiger Rohmilchkäse schließen sich weitgehend gegenseitig aus, denn für solche Käse müssten die Käsetheken einen eigenen Reiferaum anlegen, sie müssten die Käse pflegen und weiter reifen lassen. Sie hätten damit ein hoch individuelles, aber leicht verderbliches, personalaufwändiges Produkt – das funktioniert nicht.
Abseits der Supermarktregale, auf kleinen Märkten ist allerdings sehr viel in Bewegung geraten. Es gibt wieder mehr kleine Käsereien, die sich anstrengen. Es gibt vor allem deutlich mehr Ziegen- und Schafskäsereien mit kleiner Hofproduktion. Und es gibt einige gute Ideen, zu denen neben der Schleswig-Holsteinischen Käsestraße (siehe oben) auch der Deutsche Käsemarkt in Nieheim gehört, der jetzt vom 30. August bis 1. September zum dritten Mal stattfindet.
In der Käsestadt Nieheim, die den letzten handwerklichen Erzeuger des kleinen Nieheimer Sauermilchkäses beherbergt, werden mehr als fünfzig Käsereien das Beste von der Milch präsentieren. Der „deutsche“ Käsemarkt ist allerdings durchaus eine europäische Veranstaltung, selbst Rentierkäse aus Finnland wird auf der dann längsten Käsetheke Europas ausliegen. Daneben sind die großen Käseländer Frankreich, Italien, Österreich und die Schweiz vertreten.
Dass solch ein Straßenmarkt mehr als fünfzigtausend Besucher anzieht, hätte niemand gedacht. Auch so ein kleines Wunder im Land der Rallyestreifenerotik und des Rotkäppchencamemberts: Es besteht offenbar starkes Interesse an einem großen Markt für ausschließlich handwerklich hergestellte Käse (Industrieprodukte sind nicht zugelassen). Auf diesem Markt trifft man inzwischen auch deutsche Topwinzer verschiedener Regionen mit ihren Weinen.
Natürlich gehören auch Musikkapellen, Freilichttheater, Feuerspucker und ähnlicher Schnickschnack zum Programm, vor allem aber gibt es richtig guten Käse. Und ein Messekonzept, das nicht stramm durchorganisiert und gestylt daherkommt, sondern von der Stadt selbst und ihren Helfern getragen wird.
Was dem Besucher entgegenweht, ist, neben einer strammen Käsewolke, der Eindruck, dass sich hier eine Kleinstadt für ein Wochenende komplett ins Zeug legt und sich nur noch mit einem beschäftigt: mit kleinen, gelben Häufchen von Kuh, Schaf und Ziege.
Nieheim liegt in Ostwestfalen, Kreis Höxter. Weitere Informationen zum Käsemarkt unter Fon (0 52 74) 83 04. -MAN-
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