piwik no script img

„Wer sich raushält, baut nicht“

Álvaro Siza aus Porto ist Portugals bekanntester Architekt. So eine Art Nobelpreis hat er auch bekommen. Jetzt wird er in der Städtischen Galerie im Buntentor vorgestellt – auf Initiative der Architekturstudierenden der Bremer Hochschule

Siza verzichtet weitgehend auf spektakuläre Effekte

Mancher Kreuzberg-Fahrer mag das seltsame Eckgebäude am Schlesischen Tor schon bemerkt haben. Auf den ersten Blick fallen sie auf: die wie ausgestanzt wirkenden, gleichmäßig über die Fassade gerasterten Fensteröffnungen. Sie verleihen dem Bau einen harten Ausdruck, den auch der schwungvoll zur Ecke hochgezogene Mauerabschluss kaum abmildert.

Hier, am höchsten Punkt, hat der Architekt eine Öffnung gelassen, die an ein Auge erinnert. Witzbolde haben sich durch’s Auge gezwängt, um – weithin nach außen sichtbar – einen Kommentar auf die Wand zu pinseln: BONJOUR TRISTESSE. Zugegeben, der erste Auslandsauftritt des bekanntesten zeitgenössischen Architekten Portugals, Álvaro Siza, verlief nicht gerade glücklich. Doch hat das durch den berüchtigten Berliner Volksmund geschmähte Bauwerk aus den Achtzigerjahren – das auf den zweiten Blick übrigens überraschende Qualitäten zeigt – nicht die stetig steigende Anerkennung dieses Außenseiters unter den internationalen Architekten-Stars verhindern können. 1992 erhielt Siza, der anders als prominente Kollegen wie Jean Nouvel oder Frank O. Gehry auf spektakuläre Effekte weitgehend verzichtet, den Pritzker Prize – eine Art Nobelpreis für Architekten.

Nun wird er in Bremen mit einer Ausstellung gewürdigt. Das in der Städtischen Galerie im Buntentor präsentierte Material basiert auf einer Schau, die vor einiger Zeit in Valencia zu sehen war. In Modellen, Plänen, Skizzen und Fotos werden zwölf exemplarische Projekte aus dem umfangreichen Werk Sizas vorgestellt – darunter so bekannte wie der Wiederaufbau des durch eine Brandkatastrophe zerstörten Chiado-Viertels in Lissabon oder die Kunstmuseen von Porto und Santiago de Compostela. Die Exponate wurden auf Tischen als „Projektinseln“ in dem schönen Ausstellungsraum ausgebreitet.

An den Wänden: Skizzen und Fotos ausschließlich zum Chiado-Projekt. In dem kleineren Ausstellungsraum: Städteskizzen des Architekten in einer prägnanten Handschrift, die, wie auch die Architektur Sizas, abstrakte Reduktion und individuelle Eigenheit in unvergleichlicher Weise synthetisiert.

Die Ausstellung ist keine große repräsentative Werkschau, gibt aber interessante Einblicke in Werkstatt und Arbeitsweise des Architekten aus Porto. Das passt sehr gut zu ihrer Entstehungsgeschichte: Studierende der Hochschule Bremen hatten im Oktober letzten Jahres unter der Leitung ihres Professors Dieter Quiram eine Portugal-Exkursion auf den Spuren Sizas unternommen. Dabei fiel spontan der Entschluss, den Meister in seinem Büro zu besuchen. Der Eindruck, den die Delegation hinterließ, muss ein guter gewesen sein. Denn es kam nicht nur zur Übernahme der Ausstellung – was übrigens mit einem erheblichen finanziellen und organisatorischen Aufwand verbunden war –, vielmehr konnte Siza selbst dafür gewonnen werden, zur Eröffnung in Bremen einen Vortrag zu halten.

Das Thema, über das der portugiesische Architekt heute um 19 Uhr sprechen wird, heißt „Architektur ist eine Kunst“. Damit berührt er eine Kardinalfrage der Architektur, die ihre Geschichte in immer wieder neuen Interpretationen begleitet hat: Ist Architektur die „Mutter der Künste“ oder ist sie aufgrund ihrer untrennbaren Einbindung in die banalen Lebenszusammenhänge allenfalls eine Kunst niederen Ranges?

Man darf gespannt auf Sizas Interpretation sein. Aufgrund seiner Werkentwicklung, die ihn immer wieder als einen sozial engagierten Architekten gezeigt hat, ist anzunehmen, dass für ihn Architektur nicht – wie etwa die Skulptur – eine ausschließlich autonome Kunstform darstellt.

„Worüber es keinen Zweifel gibt, ist, dass Architekturrealisierung immer Verhandlung, Kompromisse und Konflikte bedeutet. Wer sich aus diesen Kompromissen und Konflikten heraushalten will, baut nicht. Oder er baut falsch, das heißt, er reduziert die Probleme, drängt diejenigen zur Seite, die Schwierigkeiten provozieren könnten.“ Das hat Siza im Zusammenhang mit dem Berliner „Bonjour Tristesse“-Projekt geäußert, bei dem viele seiner ursprünglichen Ideen abgelehnt wurden – meist mit wirtschaftlichen Argumenten.

Doch Siza sieht keinen Grund, dieses schwierige Projekt deshalb als minderwertig zu verstecken: „Wer sich den harten Gesetzen der Ökonomie nähert, für den ist zwingend, authentische Architektur zu machen, und nicht ein isoliertes Schmuckstück.“ Eberhard Syring

Bis zum 1. September in der Städtischen Galerie im Buntentor. Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr 10-16 Uhr, sowie Do 10-20 Uhr und So 11-18 Uhr.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen