Die Flugangst am Morgen

Nicht nur die SPD wettert gegen die „Bild“-Berichte über die Bonusmeilenaffäre, beim Presserat häufen sich auch die Leserbeschwerden – 12 Tage vor der Wahl könnte „Bild“ gerügt werden

von SEBASTIAN SEDLMAYR

Kanzler Schröder schimpft auf die Bild-Zeitung und ihre „parteipolitische Kampagne“, Schröders Frau auch, überhaupt die ganze SPD. Nun denkt auch der deutsche Presserat darüber nach, ob eine Rüge wegen der Berichterstattung in der Bonusmeilenaffäre nicht angebracht wäre. Denn seit einigen Tagen häufen sich Beschwerden „von Lesern“ über die Berichterstattung der Hamburger Kanzlereinmacher unter Chefredakteur Kai Diekmann. Die Vorwürfe würden „nicht überstürzt, aber zügig“ geprüft, so Presseratsgeschäftsführer Lutz Tillmanns. Wahrscheinlich werden sie zum Thema der nächsten Beschwerdeausschusssitzung am 10. September, zwölf Tage vor der Bundestagswahl.

Vorher muss der Rat entscheiden, ob er den Beschwerden stattgeben will. Das soll, so Tillmanns, „in der nächsten Woche“ geschehen.

Die „Kampagne“ des Massenblatts Bild stößt nicht nur Lesern, sondern auch den Kampa-Akteuren der SPD sauer auf – obwohl bislang aus der Prominenz nur Grüne und PDS-Politiker geoutet wurden. „Erst der Stern, dann der Spiegel, jetzt die Bild“, jammern die Strategen und fragen sich, ob ausgerechnet Stern und Spiegel den CSU-Kandidaten Edmund Stoiber als Kanzler wollen.

Dass die Bild-Zeitung das möglicherweise will, würde niemanden wundern. Und die rot-grünen Häppchen, die den Wählern seit Tagen zum Fraß vorgeworfen werden, lassen Spekulationen über unlauteres und parteipolitisch motiviertes Vorgehen zu. Kanzlergattin Doris Schröder-Köpf, selbst gelernte Boulevardjournalistin, schalt ihre Exkollegen: „Gerade so kurz vor wichtigen Wahlen hätte Bild erst alle Fälle klären und dann – in angemessenem Rahmen – veröffentlichen müssen.“

Beim Stern hatte Scharping vier Tage Zeit, auf die Vorwürfe zu reagieren. Er blieb stumm. Die Bild schrieb gestern, Bundesumweltminister Jürgen Trittin sei einer Veröffentlichung zuvorgekommen, nachdem er von den Recherchen erfahren hätte. Wann denn? Trittin gab seine Erklärung am Nachmittag des 31. Juli ab, nachdem die Zeitung getitelt hatte: „Jetzt auch zwei grüne Minister?“

Das ARD-Magazin „Kontraste“ berichtete am Donnerstag, dass der neoliberale Bund der Steuerzahler in Person eines gewissen Axel Müller, seines Zeichens seit vorgestern Mitglied der nordrhein-westfälischen FDP-Fraktion, die ominöse Liste an „einen starken Partner“ weitergereicht habe. Sollte dieser Partner die Bild-Zeitung sein, wo wäre dann der beklagte Recherchedruck?

Es gibt einiges zu klären, liebe Bild-Zeitung. Wenn dem Presserat, der laut Satzung für das Ansehen seiner Zunft Sorge trägt, die tröpfchenweise Berichterstattung dubios genug erscheint, wird die Sache an den Beschwerdeausschuss überwiesen. Dann hat das Springer-Blatt zwei Wochen Zeit, seinen Standpunkt zu erläutern, bevor die Entscheidung fällt, ob der Presserat Bild ein weiteres Mal rügen wird.