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Für die Türken ist jetzt die EU am Zug

Aus Brüssel und den EU-Hauptstädten gibt es Lob für die Entscheidung von Ankara. Dort hofft man nun auf Unterstützung für den Beitritt

ISTANBUL taz ■ Das Statement des für die Erweiterung zuständigen EU-Kommissars Günter Verheugen als Reaktion auf die dramatischen Parlamentsentscheidungen von Ankara brachte es am Sonntag prompt zur Schlagzeile: „Mit der Abschaffung der Todesstrafe ist die Türkei in diesem Punkt jetzt eindeutig auf unserer Seite“, hieß es gestern in der türkischen Tageszeitung Milliyet. Mit Spannung schaut die gesamte türkische Öffentlichkeit nun nach Brüssel. Für die Zeitungen in der Türkei ist klar: Jetzt ist die EU am Zug.

Von dort, aber auch aus verschiedenen EU-Hauptstädten kamen denn auch erst einmal die erwarteten positiven Reaktionen. Ein Sprecher der EU-Kommission erklärte, man begrüße die positiven Schritte der Türkei und werde nun darauf achten, dass sich die Gesetze auch im Alltag niederschlagen. Im Oktober wird die Kommission die jährlichen Fortschrittsberichte für die einzelnen Beitrittsländer und den Kandidaten Türkei vorlegen und damit die Voraussetzungen für die Entscheidungen auf dem EU-Gipfel von Kopenhagen im Dezember schaffen.

Der amtierende Ratspräsident, der dänische Außenminister Per Stig Møller, nannte die Entscheidungen des türkischen Parlaments einen „schönen Fortschritt“, und auch der Präsident des türkeikritischen Europaparlaments, der Brite Pat Cox, befand, die Entwicklung in der Türkei sei ein „bedeutsamer Fortschritt“.

Aus Deutschland meldeten sich Außenminister Fischer und Innenminister Schily, beide ebenfalls hocherfreut. Otto Schily, weil er nach Abschaffung der Todesstrafe nun endlich den Islamistenführer Kaplan in die Türkei ausliefern kann, und Joschka Fischer mit der bislang eindeutigsten Aussage aus dem EU-Raum: „Wir werden die Türkei auf dem Weg in die EU weiter unterstützen.“

Genau an dieser Absicht war in Ankara in den letzten Monaten vielfach gezweifelt worden. Vor allem wenn Unionskandidat Stoiber im September die Wahlen gewinnen sollte, dürften in der Türkei alle Alarmglocken läuten. Stoiber hat mehrfach klar gemacht, dass er eine gemeinsame EU-Grenze mit dem Irak für undenkbar hält.

Für die bevorstehenden Wahlen in der Türkei am 3. November werden die weiteren Reaktionen aus Brüssel nun von entscheidender Bedeutung sein. Nach ihrer Niederlage im Parlament werden die Nationalisten in ihrem Wahlkampf nun vor allem darauf abheben, dass die Türkei einen Kotau vor der EU gemacht habe. JÜRGEN GOTTSCHLICH

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