piwik no script img

Tiefwasser für flache Schiffe

Ob die Containerschiffe der Zukunft wirklich tiefer im Wasser liegen, spielt keine Rolle mehr. Den Tiefwasserhafen brauche man in jedem Fall, erklären die Hafenplaner in Bremen und Hannover

Neue Schiffe fahren tief – zu tief für Außenweser und Elbe. Das jedenfalls behaupteten noch vor anderthalb Jahren in einer gemeinsamen Erklärung Bremens Bürgermeister Henning Scherf (SPD), sein Hamburger Kollege Ortwin Runde (SPD) und der niedersächsische Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD). Unter anderem wegen der „zukünftigen Tiefgangsbedingungen“, so argumentierten sie damals, sei ein „Tiefwasserhafen“ nötig.

Offensichtlich fällt dieses Argument nun nicht mehr ins Gewicht. Das in Wilhelmshaven vorhandene tiefe Wasser sei zwar ein „wichtiger Standortvorteil“, sagt Marco Althaus, Sprecher im Verkehrsministerium in Hannover. Aber: „Der Tiefwasserhafen ist nicht in erster Linie ein tiefer Hafen, sondern ein großer moderner Containerhafen für die deutsche Bucht.“ Für die laufenden Planungen, erklärt die Sprecherin der Jade-Weser-Port Entwicklungsgesellschaft mbH, Susanne Thomas, spiele der tatsächliche Tiefgang künftiger Containerschiffe „keine Rolle“. Ähnlich sieht das die Bremen Ports GmbH, die stellvertretend für die Stadt Bremen 20 Prozent der Anteile an der Entwicklungsgesellschaft hält: Die Schiffstiefe bei den großen Pötten sei in der Tat „zu vernachlässigen“, bestätigt Sprecher Rüdiger Staats.

Die These von den immer tiefer im Wasser liegenden Schiffen ist dabei schon seit längerem umstritten. Denn mit Wassertiefen von 18 Metern Unter Seegrad Null, wie beim „Jade-Weser-Port“ geplant, können längst nicht alle Häfen aufwarten. Auf breitere Schiffe hingegen – das ist die Alternative, wenn mehr Container auf ein Schiff sollen – sind die meisten Containerbrücken bereits ausgelegt. Burkhard Lemper, Verkehrsexperte beim Bremer Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik, bestätigt: „Tendenziell ist es sicher richtig, dass die Schiffe eher in die Breite als in die Tiefe wachsen werden.“

Die dicksten Containerpötte von heute reichen bei voller Beladung maximal 14,5 Meter unter die Wasseroberfläche, einzelne Reedereien sollen auch schon Aufträge für Riesenschiffe mit bis zu 15 Metern Tiefgang erteilt haben. Außenweser und Elbe, bis 14 Meter Unter Seegrad Null ausgebaggert, sind auch bei Ebbe noch mit bis zu 12,8 Metern Tiefgang zu befahren. Selbst dieses Limit aber, sagt Burkhard, werde nur selten erreicht. Oft würden die Schiffe nämlich bereits in Rotterdam einen Teil ihrer Container abladen: „Die Reedereien stellen sich auf die möglichen Fahrtiefen ein.“

Tiefgang hin, Tiefgang her – auf den „Jade-Weser-Port“ könne man trotzdem in keinem Fall verzichten, sind die Hafenplaner in Bremen und Wilhelmshaven überzeugt – allein schon aus Kapazitätsgründen. „Wir rechnen damit, dass sich das Containeraufkommen in den nächsten zehn Jahren verdoppelt“, sagt Bremen-Ports-Sprecher Staats. Trotz des geplanten CT IV in Bremerhaven benötige man daher spätestens ab 2012 zusätzlich noch die 1.700 Meter lange Kaje des Tiefwasserhafens.

Damit aber ist klar, was besorgte Stimmen aus Hamburg schon seit langem vermutet hatten: Entgegen der ursprünglichen Beteuerungen – bei der gemeinsamen Erklärung der Länderchefs im März 2001 war noch explizit von einem „Ergänzungshafen“ die Rede gewesen – wird der „Jade-Weser-Port“ in Konkurrenz zu den anderen Containerhäfen an der norddeutschen Küste stehen – insbesondere zum ausgestiegenen Projektpartner Hamburg. Ob die Schiffe in Zukunft die Elbe hinauf nach Hamburg schippern oder lieber in Bremerhaven oder Wilhelmshaven ankern, „wird dem Markt und den Akquisitionsbemühungen der einzelnen Häfen überlassen“, sagt Staats. Der geplante „Jade-Weser-Port“ richte sich aber nicht gegen Hamburg, sondern gegen Rotterdam und Antwerpen.

„Der Markt“ könnte das „Jade-Weser-Port“-Projekt indes auch schon bald wieder in den Schubladen verschwinden lassen. Wer nämlich die veranschlagten 760 Millionen Euro für die Mammut-Kaje bezahlen soll, um die Hafen-Konkurrenz zu beleben, ist nach wie vor völlig unklar. „Jade-Weser-Port“-Sprecherin Thomas gibt zu: „Es gibt noch keinen Bauherrn.“ Armin Simon

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen