Ein Sprachkurs, der schmeckt

Wortschatzbaukasten und Cultural Survival Kit: Die CD „Chinesisch zum Essen“. Freunde der chinesischen Küche und Kultur werden die unterhaltsame und lehrreiche Einführung schätzen. Mit der Kenntnis von 16 Zeichen wird man sich souverän auch durch die umfangreichste Menükarte navigieren

Es besteht die Gefahr, dass man bei diesem Sprachkurs schnell hungrig wird

von MICHELLE LI

„Für Menschen ist Essen das Wichtigste unter dem Himmel“, sagt ein chinesisches Sprichwort. Es ist jedenfalls so wichtig, dass die erste Annäherung an eine fremde Kultur meist über das Essen geschieht. Und es ist ja wahr, chinesisch essen wir schon, warum also sollen wir nicht auch Chinesisch sprechen? Nun gut, Chinesisch wird gerne als unlernbar bezeichnet. Aber ein Menü ordern, das könnte doch ein Anfang sein. So dachten sich Ulla Ziemann, Chin-Feng Teng und Marina Dinkler, die zu diesem Zweck die Firma „somuchso“ gründeten, um gemeinsam die interaktive CD-ROM „Chinesisch zum Essen“ zu entwickeln. Sie ist das erste Element einer dreiteiligen Serie zur Einführung in die chinesische Ess- und Sprachkultur: ein überzeugender Schnupperkurs, weg vom Vollständigkeitsanspruch konventioneller Sprachlehrgänge, der sich – pars pro toto – auf ein einziges Thema beschränkt.

Lädt man die CD, wird man mit dem Bild einer massiven Tür und dem chinesischen Zeichen für Hunger begrüßt. Ächzend öffnet sich das Tor und man findet sich im Lärm einer anonymen, aber typischen chinesischen Straße wieder, voller Restaurants und Verkaufsstände. Mit dem Mauszeiger in Stäbchenform kann man sich in drei verschiedene Restaurants Eintritt verschaffen. Ein chinesisches Familienrestaurant, ein vegetarisches Restaurant und eine Imbissbude halten jeweils typische Gerichte bereit. Klickt man auf ein Gericht, beginnt eine Reihe von Spielen, die im Zusammenhang mit einem der grundlegenden Zeichen stehen, die das Gericht enthält. Im vegetarischen Restaurant beginnt der Unterricht mit dem Zeichen für Gemüse, sobald man auf das Auberginengericht klickt. Bewegt man den Mauszeiger auf „mehr“, gibt es zusätzliche Informationen, ein kleiner Videofilm etwa zeigt, was das Charakteristikum des Restaurants ist, oder man erfährt, dass vegatarische Restaurants gerne eine Lotusblüte oder ein Hakenkreuz, das ein altes buddhistisches Symbol ist, in ihrem Wirtshausschild führen.

Es ist sinnvoll, zunächst die Einheiten über Esskultur und Sprache zu lesen, bevor man das Restaurant betritt. Hier findet man eine kurze Einführung in die kulturelle Seite des chinesischen Essens, angefangen von der Etikette bis zu einer kurzen Anleitung, wie man die Stäbchen benutzt. Dazu kommen Hintergrundinformationen über die Sprache, wie sie sich entwickelt hat, und eine Erklärung der Zeichen, deren einfache Piktogramme, aus denen sie zusammengesetzt sind, Radikale heißen. Nach diesen Radikalen und der Anzahl der Striche sind chinesische Wörterbücher geordnet.

Noch praktischer ist eine Erläuterung über den Unterschied zwischen den vereinfachten Schriftzeichen, die in der Volksrepublik China gelten, und den traditionellen Langzeichen, wie man sie in Taiwan findet. Interessant ist auch die Erläuterung zu der in der Volksrepublik entwickelten Hanyu-Pinyin-Umschrift für die alphabetische Version der Zeichen, die auch bei uns mehr und mehr genutzt wird, etwa bei Beijing für Peking.

Nach diesen Fakten über die chinesische Sprache und Kultur ist man für einen Restaurantbesuch gut gerüstet. Erfreulicherweise finden sich auf den Karten der Restaurants durchweg alltägliche Gerichte. Stark gewürzte Rindersuppe mit Nudeln, scharfer Tofu und gegartes Schweinefleisch sind beispielsweise in jedem taiwanesischen Straßenimbiss zu haben. Andere Küchen von Hongkong oder Schezuan kommen nicht vor, vielleicht um die Sache nicht zu komplizieren. Es geht ja darum, die wesentlichen Zeichen wie Wasser, Reis, Wein, Nudeln, Fleisch, Gemüse oder Tofu zu lernen. Auch wenn 16 Zeichen eine geringe Zahl scheinen mögen: Da sie immer wieder in komplexeren Zeichen auftauchen, reichen sie vollkommen aus, um sich in einer chinesischen Menükarte zurechtzufinden. (Man muss allerdings wenigstens 3.000 Zeichen kennen, bevor man eine Tageszeitung lesen kann).

Jedes der sechzehn Gerichte geht mit sechs Sprachspielen einher, die hauptsächlich von der Anordnung der Striche handeln und der Wiedererkennung der Zeichen. Nach der 4. Lektion sollte man in der Lage sein, den korrekten Namen des chinesisch geschriebenen Gerichts mit dem Bild, das am unteren Bildschirm erscheint, in Deckung zu bringen. Nach Lektion 6 sollte man die Aussprache beherrschen. Wenn man das Sprachspiel oft genug wiederholt, wird man tatsächlich mit Gerichten und Zeichen vertraut. Zusätzlicher Nutzen sind die authentischen Rezepte, die man für jedes Gericht erhält, angefangen bei der „hot and sour soup“ bis zu den gefüllten Dampfnudeln.

Für Leute, die Chinesisch wirklich in Angriff nehmen wollen oder einen echten Crash-Kurs benötigen, wird „Chinesisch zum Essen“ nicht reichen. Die vier unterschiedlichen Betonungen der Radikale, die jeder braucht, um Chinesisch zu sprechen, werden zwar kurz erläutert und von einem Klangbeispiel begleitet, aber sie werden nicht ausführlich geübt. Vielleicht wäre es hilfreich, wenn das zusätzliche Vokabular, das die CD im Zusammenhang mit den Rezepten enthält, in ihrer alphabetischen Version angezeigt würde. Gleichzeitig hilft der direkte Zugang der CD, unkompliziert mit dem Prozess des Chinesischlernens vertraut zu werden. Als Einführung ist „Chinesisch zum Essen“ zweifellos ein gelungener erster Schritt, der von der Gesellschaft für Pädagogik und Information e. V. auch prompt mit dem Comenius-Gütesiegel belohnt wurde. Einziges Problem ist die Gefahr, dass man bei diesem Sprachkurs schnell hungrig wird.

„Chinesisch zum Essen“. 25 €, Online-Bestellung gegen Rechnung sowie weitere Informationen: www.somuchso.de Michelle Li lebt seit drei Monaten in Berlin. Sie hat die US-amerikanische und die deutsche Staatsbürgerschaft. Ihr Vater kommt aus Taiwan, ihre Mutter aus Deutschland. Sie wuchs zweisprachig (Englisch und Deutsch) auf, hat aber angefangen, Chinesisch zu lernen.