piwik no script img

Der streitbare Haschisch-Richter steigt auf

Der neue Bundesrichter Wolfgang Neskovic machte als Kämpfer für die Legalisierung des Cannabiskonsums Furore

Schon zweimal wurde Wolfgang Neskovic zum Richter am Bundesgerichtshof (BGH) gewählt, doch immer gab es Ärger. Jetzt aber ist er im Amt. Am Montag erhielt der durch seine Haschurteile bekannt gewordene Lübecker seine Ernennungsurkunde und kann nun in Karlsruhe seinen Schreibtisch einrichten. Furore machte Neskovic, als er Anfang der 90er-Jahre das „Recht auf Rausch“ proklamierte und beim Verfassungsgericht die Legalisierung von Haschisch zu erreichen versuchte. Nach Meinung seiner Strafkammer am Landgericht Lübeck war die Ungleichbehandlung von Alkohol und Cannabis nicht gerechtfertigt. Doch die Verfassungsrichter folgten Neskovic 1994 nur teilweise: Haschisch bleibt zwar verboten, doch der Besitz in „geringfügiger Menge“ wird nicht mehr bestraft.

Im Februar 2001wurde Nescovic dann das erste Mal zum BGH-Richter gewählt. Der Richterwahlausschuss, dem 16 Vertreter des Bundestags und alle Landesjustizminister angehören, wählte den Linksliberalen, obwohl der Präsidialrat des Bundesgerichtshofes Neskovic als „fachlich nicht geeignet“ einstufte. Die unbequeme Wahl löste sogleich heftige politische und juristische Reaktionen aus.

Der baden-württembergische Justizminister Ulrich Goll (FDP) initiierte einen Gesetzentwurf, der versuchte, das BGH-Votum gegenüber dem politischen Wahlgremium zu stärken. Der Gesetzentwurf liegt allerdings bis heute im Bundesrat auf Eis und stößt nicht einmal bei CDU-Kollegen auf viel Gegenliebe.

Mehr Erfolg hatte zunächst der schleswig-holsteinische Richter Olaf Hoeppner, der ebenfalls BGH-Richter werden wollte, aber nicht gewählt wurde. Unter Berufung auf Verfahrensfehler erreichte er mit einer Konkurrentenklage, dass auch Neskovic nicht ernannt werden konnte. Im April dieses Jahres wurde Neskovic vom Richterwahlausschuss deshalb ein zweites Mal gewählt, diesmal unter Wahrung der Rechte Hoeppners, der dennoch keine einzige Stimme erhielt. Trotzdem klagte Hoeppner erneut.

Jetzt aber spielten die Schleswiger Gerichte nicht mehr mit und ließen Hoeppner, der sich für besser qualifiziert hielt, abblitzen. Der Richterwahlausschuss habe nämlich einen „weiten Beurteilungsspielraum“. Es gehe nicht nur um die fachliche Qualifikation der einzelnen Richter, sondern auch um eine ausgewogene Besetzung der Bundesgerichte. Jetzt konnte Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) Neskovic doch noch ernennen.

Vorwürfe, dass es sich hier um einen Fall um Ämterpatronage handelt, sind allerdings mehr als abwegig. Neskovic ist 1995 aus der SPD ausgetreten und bei den Grünen wurde er auch nicht glücklich. Während des Kosovokrieges, den der Richter massiv kritisierte, gab es sogar ein (erfolgloses) Parteiausschlussverfahren gegen ihn.

Am BGH wird Neskovic nun nichts mit Drogenpolitik zu tun haben, sondern – gemeinsam mit sechs anderen Richtern – für Konkurse und Insolvenzen zuständig sein. Probleme wird er damit nicht haben. Zu erwarten ist aber, dass Neskovic auch am BGH ein unruhiger und deutlich hörbarer Jurist bleiben wird. Erst jüngst begrüßte er das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Führerscheinentzug bei Haschbesitz und kritisierte die „abwegigen Konstruktionen“ der unteren Instanzen. CHRISTIAN RATH

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen