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Unter Pinochets Oberbefehl

Wegen der Ermordung eines bekannten oppositionellen Gewerkschaftsführers vor zwanzig Jahren sind in Chile erstmals hohe Militärs zu Haftstrafen verurteilt worden

BERLIN taz ■ Fünfmal hatten sie ihr Opfer in den Kopf geschossen, anschließend dreimal mit dem Messer tief in den Hals geschnitten. Die Mörder im Auftrag der chilenischen Militärdiktatur, die am 25. Februar 1982 den bekannten Vorsitzenden der Angestelltengewerkschaft Anef, Tucapel Jiménez, umbrachten, wollten ganz sichergehen.

Am Montag dieser Woche, über 20 Jahre nach der Tat, hat ein chilenisches Gericht die Auftraggeber verurteilt. Zum ersten Mal sind damit hohe Offiziere der Armee verurteilt wurden. Major Carlos Herrera als geständiger Kopf der Mörder wurde als Einziger zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt, die Mittäter zu Haftstrafen zwischen sechs und zehn Jahren. Während Chiles Militärführung die Urteile nicht kommentieren wollte, äußerte sich die Regierung zufrieden. Enttäuscht hingegen reagierten Jiménez’ Angehörige, insbesondere sein Sohn Tucapel Jiménez jr. Er kündigte an, Berufung gegen das Urteil einlegen zu wollen: „Die Strafen sind viel zu niedrig. Die Gerichte sollten exemplarische Strafen verhängen, damit sich solche Verbrechen nie mehr wiederholen“, sagte Jiménez.

Sein Vater hatte mit anderen Oppositionellen zusammen Anfang der 80er-Jahre an Streik- und Boykottplänen gearbeitet. „Wir Arbeiter sind nicht an Diktaturen gewöhnt (…), vor allem, wenn es so eine absolute Kontrolle der Sicherheitsdienste gibt“, hatte er in seinem letzten Interview Anfang 1982 gesagt. Wenig später verkündete Diktator Augusto Pinochet öffentlich: „Die Regierung wird es niemals zulassen, dass einige wenige den Geist der Arbeiter vergiften. An jene, die regierungsfeindliche Aktionen vorhaben: Vorsicht, meine Herren!“ Eine Woche später war Tucapel Jiménez tot.

Fast 17 Jahre lang war nichts geschehen, um in dem Fall zu ermitteln. Erst als Ende 1998 Sergio Muñoz den Fall übernahm und sich mit der Festsetzung Pinochets in London das Klima in Chile änderte, begannen die Ermittlungen mit den spektakulären Anklagen und Haftbefehlen gegen hochrangige Militärs, insbesondere aus Kreisen der Militärgeheimdienste Dine und CIE. Anders als der Geheimdienst Dina, dessen früherer Chef Manuel Contreras 1995 wegen der Ermordung des Allende-Außenministers Orlando Letelier verurteilt worden war, waren diese Institutionen Teil der Befehlsstrukturen, an deren Spitze Pinochet stand. Auch deshalb hatten viele Menschenrechtsorganisationen gehofft, Pinochet eine direkte Verantwortung nachzuweisen. Das aber, musste Richter Muñoz bald feststellen, gelang auch im Fall Tucapel Jiménez nicht.

BERND PICKERT

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