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Kneipenknatsch im Kiez

Der Konflikt in Friedrichshain um den Trinklärm im Boxhagener Kiez ist verfahren. Baustadtrat Franz Schulz (Grüne) und die Wirte fürchten eine Klage der Anwohner. Die haben ein Ultimatum gestellt

von SIMON JÄGGI

Es ist fast wie in einem Tarantino-Streifen: Drei mit Vorwürfen und Vorschlägen bewaffnete Kontrahenten stehen sich gegenüber, jeder zielt auf jeden. Im Streit zwischen Anwohnern und Wirten des Kiezes um den Boxhagener Platz ist bislang keine Einigung in Sicht. Gestern Abend (nach Redaktionsschluss) wollten die Gegnerin der SFB-Abendschau miteinander diskutieren. Schon am Nachmittag zeichnete sich ab, dass Stadtbaurat Franz Schulz (Grüne) vom Anwalt der Anwohnerinitiative, Sebastian Bartels, und vom Vertreter der Wirte, Michael Näckel, einiges zu hören bekommen würde.

Die Anwohnerinitiative „Die Aufgeweckten“ wähnt Schulz auf Seiten der Wirte. Er kündigte an, dass er die rechtlichen Bedingungen klären wolle, um den Kiez als Sondergebiet deklarieren zu können. Dann müssten sich die Wirte nicht mehr an geltenden Lärmschutzverordnungen halten, der Kneipenkiez wäre rechtlich eine Amüsiermeile. Doch Schulz ist in der Zwickmühle: Einerseits will er den Szenekiez erhalten, andereseits aber darf er die Anwohner nicht vor den Kopf stoßen. Die Simon-Dach-Straße und der umliegende Kiez sind Milieuschutzgebiet. Aufgabe der Bezirksamtes ist es, den Wegzug der Anwohner und des Gewerbes zu verhindern. Die Anwohner werfen der Behörde allerdings vor, seit drei Jahren nicht auf ihre Beschwerden eingegangen zu sein, obwohl es wusste, dass die Lärmschutzverordnungen von den Kneipen nicht eingehalten wird.

Die Anwohner fordern, den Außenausschank ab 22 Uhr zu beenden. Stadtrat Schulz unterstützt das Anliegen, um eine Klage vor dem Verwaltungsgericht zu verhindern. „Die Aufgeweckten“ haben dem Bezirksamt bereits ein Ultimatum gestellt. Werden ihre Forderungen bis zum 27. August nicht umgesetzt, wollen sie vor Gericht ziehen. „Dann haben wir ein Problem“, sagt der Sprecher des neu gegründeten Zusammenschlusses der Kneipiere „Wir(te) für Friedrichshain“ Michael Näckel. Würden die Lärmschutzverordnugen konsequent umgesetzt werden, wären die Umsatzeinbussen so groß, dass die meisten Kneipen schließen müssten. Die Wirte finden 22 Uhr Ausschankstop zu früh. Sie fordern 23 Uhr unter der Woche, 24 Uhr am Wochenende. Für schwarze Schafe wollen sie nicht haften. Michael Näckle: „Die Dezibelzahlen einzelner Kneipen sind bekannt. Wieso hat das Bezirksamt nicht die einzelnen Verursacher angesprochen?“

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