: Manege frei für Keulenwerfer
Jongleure, Einradfahrer und andere Artisten treffen sich zur 25. Europäischen Jonglierconvention in Bremen. Zwischen bunten Zirkuszelten werfen sie sich neun Tage lang an der Weser Keulen zu
Der Weg zur mobilen Halle ist glitschig. Überall quillt der Schlamm durch die Ritzen der vorsorglich verlegten Plastikplatten. Die meisten der rund 1.300 Jongleure haben die Hosen hoch gekrempelt und laufen einfach barfuß durch den Matsch. Denn in der Halle befindet sich der Info-Point. Auf bunten Zetteln bieten hier andere ihre Workshops feil. Zwischen Bergen von Klopapier und einem Stapel von Wörterbüchern sitzen vier „Jongleure für Alles“, verkaufen rote Chips – die Währung auf dem Festivalgelände – und versuchen auch sonst, jedes Problem zu lösen.
Hinter der Trennwand hört man schon die Keulen auf den Holzboden knallen. In der etwa 100 Meter langen Halle fliegen hunderte bunter Keulen durch die Luft, dazwischen ein paar Bälle, Diabolos (sowas wie Doppelkreisel, die auf Kordeln jongliert werden) oder Tücher. Zu zweit, allein oder in größeren Gruppen schmeißen sie sich die Keulen zu. Der Blick ist strikt nach vorn gerichtet. Wohin die Hände greifen, sehen die Werfer nicht. Die fliegenden Gegenstände scheinen ein Eigenleben entwickelt zu haben.
Sind es die Jongleure, die mit ihren Bewegungen den Flug der Keulen kontrollieren? Oder haben die Diabolos ihre Strippenzieher fest im Griff? Stammt das Surren in der Halle von dem Stimmengewirr oder den Keulen, die durch die Luft zischen?
Einmal quer durch den Schlamm gewatet kommt man zu einem Platz mit vier großen Zirkuszelten. Eigentlich sollte hier das Leben toben, aber dazu ist es noch zu früh: Erst um 12 Uhr krabbeln die meisten Jongleure aus ihren Zelten. Aber auf der Hüpfburg ist schon jede Menge los. Hier tobt sich der Artistennachwuchs aus. Die BetreuerInnen hüpfen mit über die Burg und über das bunte Klettergerüst aus Bänken, Leitern und Sonnenschirmen. Ganz einfach sei das mit den Kindern nicht, schließlich kommen auch sie aus den unterschiedlichsten Ländern, erklärt eine Betreuerin aus Holland: „Da muss man eben mit Händen und Füßen reden.“
Das größte Zirkuszelt steht am Rande des Platzes. In dem großen dunkelblauen Gewölbe treten abends die ganz Großen Artisten auf. Vorher werden rund 1.500 Jongleure durch die City marschieren. Ab 13.30 Uhr ist Abmarsch an der Schlachte.
Noch klingt das bunte Treiben nur abgedämpft durch die dicken Zeltwände, die Bühne ist spärlich beleuchtet. Nur der offene Zelteingang wirft einen Lichtkegel auf die Manege. Manchmal schaut jemand für einen kurzen Moment herein. So wie Bernd. Mit dem Rucksack voller Keulen, dem Einrad auf den Schulter und in der Hand ein schlammiges Handtuch steht er im Lichtkegel und blickt auf die Bühne. Sein halbes Leben jongliert der 18-Jährige aus Augustdorf nun schon. „Die Atmosphäre hier ist der Hammer“, sagt er. Und überwältigt schließt er: „Da kann man einfach nur für leben.“
Verena von Ondarza
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