standbild: Die im Lichte
„Sabine Christiansen“, Sonntag, 21.45 Uhr, ARD
„Schröders Strohhalm: Kann die Hartz-Kommission den Kanzler noch retten?“ lautete der Titel der Sendung. Welch ein Thema! Ob Schröder noch zu retten ist, wollte Sabine Christiansen wissen – nicht etwa die mehr als vier Millionen Arbeitslosen der Republik. Demzufolge legten sich die geladenen Herren der illustren Runde gewaltig ins Zeug. Allerdings, wie nicht anders zu erwarten, weniger zum Thema Arbeitslosigkeit denn in Sachen Selbstbeweihräucherung und Parteienräson.
Zuvor wurde ein kleiner, neckischer Bericht abgespult. Eine Umfrage vor dem Arbeitsamt, zur Volksbelustigung. Nein, Herrn Hartz kenne man nicht, bekundeten die Befragten. Wolfgang Clement (SPD) indes kennt Herrn Hartz und findet dessen Vorschläge hervorragend. Günter Rexrodt (FDP), so war zu erfahren, erfreut sich vor allem an dessen Vorschlägen zur Zumutbarkeit. Darauf mochte Frau Christiansen nicht näher eingehen. Dabei hätte uns brennend interessiert: Was hält Herr Rexrodt für zumutbar? Würde er selbst gern bei der städtischen Straßenreinigung vorstellig werden? Doch solch konkrete Fragen mochte niemand stellen. Warum auch? Es lässt sich so schön abgehoben plaudern, wenn – wie bei Christiansen üblich – kein einziger unabhängiger kritischer Denker geladen ist.
Zu vermuten ist allerdings, dass es – entgegen der ach so witzigen Straßenumfrage – doch einige ungefragte Arbeitslose geben könnte. Solche, die Herrn Hartz vielleicht persönlich nicht die Hand geschüttelt, jedoch von dessen Ansinnen gehört haben. Aber diese Menschen aufzuspüren, was ja edelste journalistische Aufgabe wäre, diese Mühe hat man sich in Christiansens Redaktion nicht gemacht. So bleibt alles beim Alten. Wie reimte Bertolt Brecht einst: „Denn die einen sind im Dunkeln, und die anderen sind im Licht. Und man siehet die im Lichte. Die im Dunkeln sieht man nicht.“
Kurz: Der Kungelkreis im Machtdunst hatte bei Christiansen einmal wieder Gelegenheit erhalten, Rhetorikschulungsresultate unter Beweis zu stellen. Wer vor der Sendung die Hartz-Vorschläge nicht kannte, wusste danach nur: Im Wahlkampf möchte jeder gern siegen.
GITTA DÜPERTHAL
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