: „Die sind doch alle so nett“
Wo der Wahlkampf noch Spaß macht und trotzdem wenig kostet: Seit Anfang August unterstützen 27 Praktikanten den Wahlkampf der SPD. Gestern sprachen sie erstmals über ihre Arbeit, Karriere und den harten Dienst am Wahlvolk
Sven wird mit Hilfe der SPD seine Freundin bescheißen. Gerade eben hat er auf dem Alexanderplatz eine kostenlose Rose von der SPD abgegriffen, obwohl die eigentlich nur für die Frauen sind. „Hab halt die Tussi draußen überredet“, sagt Sven. „Heute Abend erzähl ich Nadja, wie teuer das Teil war, da wird sie gleich nicht mehr so viel rumschreien.“
Vielleicht hat die SPD in Sven einen neuen Wähler gewonnen. Schließlich machen nicht nur die Profis von der Kampa Wahlkampf für die Sozialdemokraten, sondern seit gestern auch 27 Praktikanten. Am Alex verteilen sie Blumen und Parteibroschüren an vorbeihastende Passanten. „Lassen Sie mich, ich will einkaufen“, brubbelt eine alte Frau schon von weitem. „Wir wählen die Union!“, ruft ein grünbejackter Mittzwanziger stolz und schreitet ob seines Mutes gleich erhabener aus. Trotz solcher Reaktionen strahlen die Wahlkampfpraktikanten der SPD ein unbekümmertes Siegeslächeln. „Ich glaube, dass Schröder gewinnt“, sagte Jana aus Berlin. „Ich jedenfalls will alles dafür tun, dass es so kommt.“
Überzeugt sein gehört zum Job und von Begeisterung spricht hier jeder. Mehr Erwähnung findet nur noch Gerhard Schröder. „Es gibt keine Alternative zu Rot-Grün. Ich habe alle Parteiprogramme durchgelesen.“ Dieser Satz klingt so, als hätte ihn Jessica heute schon mehrmals gebraucht. Wie sie kommen alle Wahlkampfpraktikanten von der Uni, studieren Anglistik oder Sinologie, meistens aber Politik. Sie wollen mitbekommen, wie Politik hinter den Kulissen funktioniert, schließlich kennen sie die Theorie zur Genüge. Dafür arbeiten die emsigen Wahlhelfer bis vierzehn Stunden am Tag, an Wochenenden und Abenden. Und das für 500 Euro im Monat.
SPD-Praktikant wollten 150 Bewerber werden, 27 schafften es ins Team Berlin 02. Und weil die SPD mit Geschlechtergleichheit wahlkämpft, fiel auch die Auswahl entsprechend aus: 14 Frauen, 13 Männer, Durchschnittsalter 23,3 Jahre.
Auch der Berliner SPD-Sprecher Hannes Hönemann stand früher in den Straßen mit Broschüren in der Hand. „Es ist Knochenarbeit. Aber die Praktis sagen sich, nach diesen sechs Wochen kann mich nichts mehr schocken.“ Mit unverhohlenem Stolz erzählt Hönemann, wie seine Schützlinge einen Morgen lang rumtelefonieren, nur um die Rosen einen Cent billiger zu bekommen. Ihr Engagement als Beweis, wie edel es sein muss, für die SPD zu kämpfen.
Außerdem könnten die Praktikanten lernen, wie eine Kampagne gemacht wird, wie man Pressemitteilungen schreibt und Ideen entwickelt, neue Wähler zu gewinnen. „Keiner soll am Kopierer versauern“, verspricht Hannes Hönemann.
Die Praktikanten dürfen mit Bundestagspräsident Wolfgang Thierse Buletten essen und Familienministerin Christine Bergmann beim Salatspachteln bestaunen. „Als Prakti lassen sich Kontakte für die Zukunft knüpfen“, verspricht sich Katja. „Hier werden Politikkarrieren geboren“, garantiert Hönemann.
Auf der Straße kann man sich Fertigkeiten aneignen, die dem Politikerdasein dienlich sind: „Am liebsten bändige ich die Rentner“, beschreibt Michael den sensiblen Umgang mit dem Wahlvolk. Dazu kommt noch ein anderer Grund: Mitleid. „Wenn die SPD verliert, werden viele Mitarbeiter arbeitslos. Dabei sind die alle so nett.“
SIMON JÄGGI/DANIEL SCHULZ
Die Autoren arbeiten in der taz als Praktikanten. Umsonst und mit wachsender Begeisterung
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