: Deutsche gegen US-Börsengesetz
Die US-Regeln zur Bekämpfung von Bilanzbetrug bringen deutsche Unternehmen und Gewerkschaften auf – zu stark seien die Eingriffe ins hiesige Rechtssystem. Manager fürchten um die Vertraulichkeit, Betriebsräte um die Mitbestimmung
von BEATE WILLMS
Europäische Unternehmen und Gewerkschaften haben ein gemeinsames Problem: Sommerferien. Absprachen zu treffen kostet Zeit. Die aber haben weder die einen noch die anderen. Denn der Kongress in Washington und die US-Börsenaufsicht SEC drängen auf Umsetzung der Sarbanes-Oxley-Gesetze zur Bekämpfung der Bilanzbetrügereien. Diese sollen für alle knapp 16.000 in den USA an der Börse notierten Unternehmen gelten – inklusive der rund 1.300 ausländischen Konzerne – darunter mehr als 20 deutsche. Das schärfere Gesetz bedeutet nach übereinstimmender Einschätzung deutscher Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften weitreichende Eingriffe in das hiesige Rechtssystem.
Dabei geht es in der Kritik nur nebenbei darum, dass die SEC praktisch die Vollmachten einer Börsen-Weltpolizei bekäme. Sie dürfte auch Unternehmen wie DaimlerChrysler oder die Deutsche Bank durchleuchten – und wäre selbst nur der US-amerikanischen Politik verantwortlich.
Die nach den Senatoren Paul Sarbanes und Michael Oxley benannten Gesetze sehen nicht nur vor, dass Manager die Bilanzen beeidigen müssen – Meineid mit Millionenbußen oder Haft bestraft wird. Sie verlangen auch, dass das „interne Finanzkontrollgremium von Unternehmen mit außenstehenden Direktoren“ besetzt wird. Außerdem soll die SEC Unterlagen der Wirtschaftsprüfer einsehen, die Herausgabe von Akten verlangen und Zeugen befragen dürfen.
Matthias Müller von der Hans-Böckler-Stiftung glaubt, dass man das „Finanz-Kontrollgremium“ so interpretieren könne, dass es in Deutschland dem Aufsichtsrat oder dem Bilanzausschuss entspräche. In beiden sitzen jedoch Arbeitnehmervertreter, die im Unternehmen beschäftigt sind, im Aufsichtsrat schreibt das deutsche Mitbestimmungsgesetz das sogar zwingend vor. Dietmar Hexel, Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes, erklärte, der DGB lehne „einen Übergriff des US-Gesetzgebers auf das deutsche Mitbestimmungsrecht ab“.
In den großen Unternehmen und beim Bundesverband der Deutschen Industrie macht man sich mehr Sorgen um die Vertraulichkeit der Prüferunterlagen. Schließlich würden sich Wirtschaftsprüfer strafbar machen, wenn sie Akten ihrer Kunden an eine US-Behörde weiter gäben: Ihre Berufsordnung sieht strikte Verschwiegenheit vor.
Nach Informationen der Financial Times Deutschland warnen die „Topjuristen von Allianz, DaimlerChrysler, Deutscher Bank, Telekom, Infineon“ und des BDI die SEC deshalb in einem gemeinsamen Brief vor Rechtstreits und fordern mehr Spielraum bei der Auslegung der Regeln. „Mit einheitlicher europäischer Stimme“ zu sprechen, sei leider nicht möglich gewesen, sagte BDI-Rechtsexperte Peter Wiesner. Dazu seien die Systeme zu unterschiedlich und die Zeiträume zu knapp.
In den USA war man über die heftige Abwehr aus Europa überrascht. Bis zum 29. August will die SEC festlegen, wie die neuen Regeln umgesetzt werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen