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Wowereit kassiert beim Tor einen Treffer

Der Regierende Bürgermeister wollte eine komplette Sperrung unter der Quadriga. Sein Parteifreund und Stadtentwicklungssenator Peter Strieder aber setzt dauerhafte Durchfahrt für Linienbusse und Taxis durch. Automobilclubs üben Kritik. FDP-Abgeordneter: „Senat hat Torschlusspanik“

„Wowereit hat einfach nur seine Meinung gesagt“

von STEFAN ALBERTI

Die dauerhafte Schließung des Brandenburger Tores hat gestern zu einem Meinungsstreit im Senat geführt. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit musste dabei öffentlich eine Schlappe gegen Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (beide SPD) hinnehmen. Der konnte sich zwar damit durchsetzen, das Tor für den Autoverkehr geschlossen zu halten, Linienbusse und Taxis in Ost-West-Richtung aber wieder durchfahren zu lassen. Wowereit hatte noch kurz vor der Senatssitzung für eine vollständige Sperrung plädiert. Die Regelung gilt ab dem Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober, wenn die Sanierungsarbeiten am Brandenburger Tor abgeschlossen sind und die Telekom-Plane fällt.

Wowereit hatte seine Forderung nach kompletter Sperrung vor Sitzungsbeginn im „Inforadio“ deutlich gemacht. Er sei dafür, klare Verhältnisse zu schaffen, sagte er – wenn Busse und Taxen durchfahren dürften, kämen wieder andere, die das auch wollten. „Ich glaube, dieser Platz bedarf einer Abgeschlossenheit. Es ist ein besondertes Wahrzeichen Berlins und es macht viel Sinn, da tatsächlich Ruhe zu schaffen“, sagte er. Diese Auffassung trug er im Senat vor, ohne sich durchsetzen zu können.

Unklar blieb, wieso sich Wowereit vor der Senatssitzung nach außen hin so deutlich festlegte und damit eine öffentliche Schlappe in Kauf nahm. „Er hat einfach seine Meinung gesagt“, hieß es aus Senatskreisen. Strieder selbst versuchte den Disput klein zu kochen, sprach anfangs nur von „Stimmen im Senat“, die anders als er dächten, ohne Wowereit zu nennen. Er gab sich zwar verständnisvoll für die Gegenposition – „kann man gut vertreten“ – blieb aber bei seiner Meinung: Auch bei einer Komplettsperrung gebe es über die Anlieger – Botschaften, Banken, Hotel Adlon – Verkehr auf dem als Flanierort gedachten Pariser Platz. Dass dann noch einige nicht vor dem Tor wenden, sondern durchfahren würden, falle nicht ins Gewicht, wollte er zu verstehen geben.

Grünen-Verkehrsexperte Michael Cramer hält das für unsinnig: Die Busse und Taxen würden den Platz doch sonst komplett meiden. Nur ohne sie bestehe eine Chance, den Pariser Platz tatsächlich attraktiv zu machen.

Durch den senatsinternen Streit trat etwas in den Hintergrund, dass Strieder noch Anfang Mai eine erneute Öffnung des Tores zugesagt hatte. Die Sperrung wegen Bauarbeiten zur Neugestaltung des Pariser Platzes sollte nur vorübergehend sein, versicherte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. An eine dauerhafte Sperrung sollte erst nach einem Ausbau umliegender Straßen zu denken sein, derzeit könnten sie den Tor-Verkehr dauerhaft nicht aufnehmen. Doch die Staus blieben aus – „zur großen Überraschung“, wie Strieder gestern mit treuherzigem Blick versicherte. CDU und FDP hatten ihm schon im Mai vorgeworfen, die Bauarbeiten auf dem Platz für eine dauerhafte Sperrung nutzen zu wollen.

Der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Christian Gaebler, hatte schon damals eine Sperrung nicht ausgeschlossen. Die Bedeutung des Tores schätzt er gering ein: Für jemanden, der sich mit Verkehr auskenne, sei es logisch, dass das Tor wegen der schmalen Durchfahrt und Tempo 10 wenig leistungsfähig sei.

Die Autofahrerlobby hatte vor der Entscheidung nochmals gefordert, das Tor nach den Bauarbeiten wieder zu öffnen. Durch eine Sperrung würde eine wichtige Verkehrsachse willkürlich in zwei Teile geteilt, kritisierte der ADAC. Nach Ansicht des Automobilclubs von Deutschland (AvD) handelt der Senat ohne verkehrspolitischen Sachverstand. Spätestens zu den Bauarbeiten am Holocaust-Mahnmal und an der US-Botschaft müsse das Tor wieder geöffnet werden. Strieder widersprach: „Das ist nur eine Frage der Baustellenlogistik.“

Unterstützung bekamen die Automobilclubs von CDU und FDP im Abgeordnetenhaus. „Rot-Rot missachtet die Interessen des Individualverkehrs“, kritisierte der Verkehrsexperte der Union, Alexander Kaczmarek. Der FDP-Abgeordnete Klaus-Peter von Lüdecke sprach von einer „Torschlusspanik des Senats“. Wie die Grünen begrüßte hingegen auch der Verkehrsclub Deutschland die Schließung.

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