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Ein Gen für das Herz auf dem rechten Fleck

DNAH11 heißt die Erbinformation, die Forscher für die Anordnung der inneren Organe verantwortlich machen

Forscher der Universität Genf haben das Gen entdeckt, das für die Ordnung im menschlichen Körper verantworlich ist. Das Schweizer Forscherteam von Professor Jean-Louis Blouin ist davon überzeugt, dass das Gen mit dem Namen DNAH11 auf Chromosom Nummer 7 entscheidend dazu beiträgt, dass bei der Entwicklung von Embryonen die inneren Organe ihren richtigen Platz zugewiesen bekommen. Denn äußerlich mag beim Menschen zwar die Symmetrie stimmen, im Inneren jedoch sieht es ganz anders aus. Und dafür ist DNAH11 zuständig.

Als normal gilt: Das Herz sitzt links, der Blinddarm rechts, die Leber rechts, die Lunge in der Mitte, aber links der Lungenflügel mit zwei Lappen und rechts der dreilappige Lungenflügel. Auch die räumliche Anordnung ist wichtig, damit alle Organe beim Aufrechterhalten der Körperfunktion zusammen agieren können. So ist der Dickdarm normalerweise gegen den Uhrzeigersinn gekrümmt. Und auch bei einigen Gehirnstrukturen ist ein großer Unterschied zwischen rechter und linker Hemisphäre zu beobachten.

Bei einigen Menschen ist diese Ordnung durcheinander geraten. Geschätzt wird, dass etwa einer von 20.000 Menschen mit dem so genannten Situs inversus geboren wird. In diesem Fall sind die Organe nicht nur seitenverkehrt verteilt, sie sind auch spiegelbildlich angeordnet. Die korrekte Anordnung wird von den Medizinern als „Situs solitus“ bezeichnet. Auf die Bundesrepublik hochgerechnet kommen rund 4.000 Menschen mit einem „Situs inversus“ auf die Welt.

Die spiegelbildliche Anordnung selbst führt nicht unbedingt zu gesundheitlichen Problemen. Bei einigen Patienten entdeckten Ärzte die inneren „Verschiebungen“ erst im hohen Alter. Auf der anderen Seite kann es schon zu Komplikationen führen, wenn ein Arzt bei einem „verdrehten“ Patienten eine Blinddarmentzündung diagnostizieren soll.

Weitaus schlechter ist die Gesundheitsperspektive, wenn die Organe zwar auf der falschen Seite liegen, aber nicht spiegelbildlich angeordnet sind. Davon betroffene Menschen sterben häufig früh an Lungen- und Herzkomplikationen. Unterschiedlich und oft sehr schwerwiegend sind auch die gesundheitlichen Auswirkungen, wenn nur zwei linke oder nur zwei rechte Körperhälften vorhanden sind, beispielsweise wenn die Milz fehlt oder gar zwei vorhanden sind.

Seit Jahren ist schon bekannt, dass die überall im Körper verteilten Flimmerhärchen, die so genannten Cilien, eine entscheidende Rolle bei der Organverteilung spielen. Diese Cilien, kleine, bewegliche, wimperförmige Auswüchse der Zellen, sorgen zum Beispiel dafür, dass Verunreinigungen aus der Lunge wieder entfernt werden. Auch die Beweglichkeit von Spermien wird durch Cilien gewährleistet. Schon in der frühen Embryonalphase sind die Zellen mit den Flimmerhärchen ausgestattet. Vermutet wird, dass sie durch zielgerichtete Bewegungen Wachstumsfaktoren in bestimmte Regionen des frühen Embryos leiten und so die Anordnung der Organe bestimmen. Fehlen diese Härchen oder ist ihre Funktion gestört, bleibt die Anordnung der Organe dem Zufall überlassen. Die Cilienbewegungen, so die Schweizer Forscher, werden von dem Gen DNAH11 gesteuert.

WOLFGANG LÖHR

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