piwik no script img

HEW befruchtet Vattenfall

Stromkonzern fusioniert mit Veag zu Vattenfall Europe. Die Marke HEW soll weiterhin den Hamburger Markt dominieren helfen. Zusammenlegung soll 100 Millionen Euro bringen und Tausende Arbeitsplätze überflüssig machen

„Warum sollten die HEW-Kunden nicht zu einer Genossenschaft gehen?“

von GERNOT KNÖDLER

Ein Hauch von Nostalgie lag über der 108. Hauptversammlung der Hamburgischen Electricitätswerke AG (HEW). Die Aktionäre beschlossen eine Fusion des Traditionsbetriebs mit der ostdeutschen Vereinigte Energiewerke AG (Veag) zu der Holding Vattenfall Europe. Den Ausschlag gaben die schwedische Staatsfirma Vattenfall mit fast 74 Prozent der Aktien und die Stadt Hamburg mit rund 25 Prozent.

Erweitert um den Braunkohle-Verstromer Laubag und die Berliner Bewag soll der Verbund neben E.on und RWE zum dritten großen Stromversorger in Deutschland avancieren und auf dem europäischen Markt mitmischen. Die HEW sollen in Form einer 100-prozentigen Tochter für Hamburg erhalten bleiben, weil die Menschen so an den Namen gewöhnt sind. Lediglich vier Prozent der Hamburger nutzten bisher die Chance, ihren Stromlieferanten zu wechseln.

HEW-Vorstandschef Klaus Rauscher sprach von einer „Zäsur in der Geschichte unseres Unternehmens und in der deutschen Stromwirtschaft“. Durch die anstehende Umstrukturierung könnten Ressourcen effektiver genutzt und viel Geld gespart werden. Unter Einschluss der Bewag werde ein Unternehmen mit Umsatzerlösen von 7,2 Milliarden Euro jährlich entstehen. Mit Anlagen im Wert von elf Milliarden Euro und einem Cashflow von 1,3 Milliarden, so die Hoffnung der Strom-Strategen, dürfte es stark genug sein, um im Wettbewerb um die europäischen Kundschaft mitzuhalten.

Allein die Zusammenlegung der Planungs- und Verwaltungsabteilungen bringe 100 Millionen Euro ein. Von jetzt circa 18.500 Mitarbeitern sollen 2005 noch 14- bis 15.000 übrig sein. Hamburg hat sich beim bereits verabredeten Verkauf seines Anteils ausbedungen, dass 3000 von zurzeit 4000 Arbeitsplätzen bis 2005 erhalten bleiben. Durch die Fusion von HEW und Veag sparen deren Eigentümer überdies Steuern, weil die Verluste der Veag mit den Gewinnen der HEW verrechnet werden können.

Viele der Kleinaktionäre, die zusammen einen Anteil von rund einem Prozent halten, kommentierten die Fusion ihrer Firma mit Wehmut. „Wir nehmen heute Abschied von den HEW“, sagte die atomkritische Aktionärin Dagmar Reemtsma. Sie prophezeite, dass die Hamburger dem Stromversorger die Treue kündigen würden, sobald ruchbar werde, dass die Schweden das Sagen hätten und der Gewinn nach Schweden fließe. „Warum sollten die Kunden nicht zu einer Genossenschaft gehen, wie den Elektrizitätswerken Schönau?“, fragte sie.

Liane Melzer von den Aktionären im Dienste des Atomausstieges (Aida) bedankte sich für die „Unterstützung“ durch Mitarbeiter der HEW. Vertriebschef Hans-Joachim Reh dankte sie für sein Engagement bei der Erschließung alternativer Energiequellen. „Sie haben viel bewegt“, lobte Melzer. Der ruhige Reh verzog keine Miene.

Reemtsma verlangte wegen der in jüngster Zeit bekannt gewordenen Unfälle, das Atomkraftwerk Brunsbüttel stillzulegen. Die Mischung aus Profitdruck und mangelnder Fachkunde, die dazu geführt habe, sei ein „hochexplosiver Cocktail, der uns allen irgendwann um die Ohren fliegen wird“. Auch sei künftigen Generationen nicht die Betreuung strahlender Castor-Behälter zuzumuten.

Melzer bat, das Ziel „Atomausstieg“ aus der Satzung der HEW in die Satzung von Vattenfall Europe hinüberzuretten. Andere Kleinaktionäre sorgten sich dagegen um die Zukunft der Atomenergie und darum, wie die einschlägige Fachkompetenz von HEW/ Vattenfall erhalten werden könne.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen