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Mal ’ne Cola, mal ’ne Kippe

Haben Polizisten sich nicht um einen bewußtlosen Abschiebehäftling gekümmert? Das Innenressort blockt ab, die Flüchtlingsgruppe „Grenzenlos“ will wegen unterlassener Hilfeleistung vor den Kadi

„Institutioneller Rassismus“ oder „vorbildliches“ Handeln?

Mal hier eine Cola, mal da Kippen – es kann schon verdammt nervig für die diensthabenden Polizisten im Abschiebeknast in der Vahr werden, wenn die Häftlinge sich mit ihren Bedürfnissen und Wehwehchen an der Gegensprechanlage melden. Offenbar jedoch so nervig, dass sie nicht reagierten, als vor zwei Wochen kurz vor Mitternacht ein türkischer Gefangener dringendst Hilfe gebraucht hätte. Er lag bewusstlos auf dem Zellenboden und atmete schwer. Trotz vieler vergeblicher Hilferufe von Mithäftlingen soll sich lange niemand gemeldet haben. Zu lange, viel zu lange, meint Ghislaine Valter von der Gruppe „Grenzenlos“, die sich ehrenamtlich um die Häftlinge in der Vahr kümmert. Deshalb wird sie jetzt Strafanzeige wegen unterlassener Hilfeleistung erstatten.

Das, was Valter empört „institutionellen Rassismus“ nennt, dürfte die Betroffenen kalt lassen. Innensenator Kuno Böse (CDU) hat nämlich längst den Vorwürfen widersprochen. Anhand der Polizeiprotokolle könne widerlegt werden, dass „die wachhabenden Beamten umgehend zur Hilfe gekommen seien“. Polizeipräsident Eckhardt Mordhorst erklärte in einer Sitzung der Innendeputation, dass „sofort“ nach dem Alarm „Beamte zur Hilfe eilten und mit Reanimationsversuchen begannnen“. Die Polizisten hätten „schnell und vorbildlich gehandelt“.

Die Mithäftlinge haben dem in eidesstattlichen Versicherungen längst widersprochen: Je nach Aussage soll der Schwerkranke bis zu vierzig Minuten auf die Beamten gewartet haben. Ein Polizeisprecher wiederholt gebetsmühlenhaft: „Nach herrschender Berichtslage ist es in diesem Fall ausgeschlossen, dass es zu Verzögerungen kommen konnte.“

Ein Insider aus der Behörde, der es eigentlich wissen müsste, widerspricht dem energisch: „Eine echte Untersuchung der Vorkommnisse hat nicht stattgefunden“, sagt der Mann, der lieber anonym bleiben möchte, es aber eigentlich wissen müsste.

Und: Tatsächlich gebe es deftige Probleme bei der Verständigung zwischen Abschiebehäftlingen und wachhabenden Beamten. Der Grund: Viele der Einsitzenden können nur gebrochen Deutsch, oft geht es bei den Bitten an der Gegensprechanlage um Bagatellen. Grundsätzlich sei deswegen eine gewisse Gereiztheit bei einigen Polizisten vorhanden, wenn die Gegensprecher erneut piepen.

Zur Not gibt es im Hafttrakt aber auch noch auf Hüfthöhe einen Schalter, der einen weiteren Alarm an anderer Stelle auslöst – eigentlich für in Bedrängnis geratene Beamte gedacht. Auch er soll betätigt worden sein. Die Mithäftlinge wollen in ihrer Verzweiflung sogar versucht haben, die Sprinkleranlage auszulösen – vergeblich. „Das System ist in Ordnung, nur die Leute, die es umsetzen, oft nicht“, sagt der „Insider“.

Für Ghislaine Valter von „Grenzenlos“ sind die Zustände in der Vahr derzeit ohnehin unhaltbar. Einen Einkäufer, der Besorgungen für die Inhaftierten übernimmt, gebe es derzeit nicht. Genauso wenig wie den versprochenen Sozialarbeiter und einen Beirat für die Abschiebehaft, der Beschwerden der Häftlinge entgegen nehmen könnte. In diesem Fall wäre er auf jeden Fall dringend nötig gewesen.

Das Innenressort verspricht immerhin Abhilfe: Die passende Verordnung sei erst seit so kurzer Zeit in Kraft, dass die vorgesehenen Organisationen ihre Vertreter noch nicht haben entsenden können.

Noch mehr Warten, das reicht Valter nicht. Auch wenn die Aussichten auf Erfolg der Strafanzeige dürftig sind, weil Aussage gegen Aussagen steht, will sie vor den Kadi. Auf eigene Kosten, „symbolisch“ und, „weil das so nicht gehen kann“.

Kai Schöneberg

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