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Wahl-Gang muss den Clou landen

Mit einer Schlammschlacht beginnt eine „Politikfabrik“ von Politologiestudierenden ihre Kampagne für die Bundestagswahl. Die Generation der Jungwähler soll zum Kreuzchen motiviert werden. Dabei steht die Initiative selbst unter Beobachtung

von LUKAS-CHRISTIAN FISCHER

Der Wurf hat gesessen: Edmund Stoiber läuft der Dreck von der Stirn. Auch Schröder und Fischer sind mit Schlamm verschmiert. Guido Westerwelle hat es am schlimmsten getroffen: Das Gelb seines T-Shirts ist kaum noch zu erkennen. Angefeuert von frustrierten Wählern liefern sich die Politiker eine wüste Schlammschlacht direkt vor dem Reichstag. Der Bundestagswahlkampf ist manchmal eine wirklich dreckige Angelegenheit.

Natürlich ist keiner der Spitzenkandidaten hier tatsächlich involviert. Die Köpfe hinter den Masken gehören Studenten der Freien Universität Berlin (FU), die sich zu einer „Politikfabrik“ zusammengetan haben, um junge Menschen für Demokratie zu begeistern. Die Schlammschlacht 2002 ist Teil ihrer ersten Kommunikationskampagne, die sie zweideutig „Die Wahl-Gang“ getauft haben. Ihre Aktion vor dem Reichstagsgebäude soll den Politikern deutlich machen, dass leere Versprechungen und schmutziger Wahlkampf die Politikverdrossenheit steigern.

Mit solchen unkonventionellen Mitteln wollen die insgesamt 70 Politologiestudenten ein Ziel erreichen, an dem selbst erfahrene Wahlkämpfer der etablierten Parteien zunehmend scheitern: Jung- und Erstwähler zur Stimmabgabe zu motivieren. 3,3 Millionen 18- bis 21-Jährige sind im September erstmalig zur Bundestagswahl aufgerufen, wobei sich nur 34 Prozent davon laut der jüngsten Shell-Jugend-Studie überhaupt noch als politisch interessiert bezeichnen.

„Wir machen den Jugendlichen Politik schmackhaft, und das auf andere Art als die Parteien: mit Spiel, Spaß und Schokolade“ sagt die 24-Jährige Anna Bilger von der Politikfabrik. Das heißt allerdings nicht, dass es sich bei dem Engagement der Studenten nur um Entertainment dreht. Ernste Themen sollen nur anders verpackt kommuniziert werden. Ob nun während eines Volleyballturniers oder auf der Party am Wahlvorabend, der Zielgruppe sollen ohne den schulmeisterlichen Zeigefinger Inhalte vermittelt werden. Leichtigkeit steht im Vordergrund.

Die Wahl-Gang hat ihre Arbeit auf den Wahlkreis 84 konzentriert, also auf Friedrichshain-Kreuzberg. Hier ist die Wahlbeteiligung von jungen Menschen mit rund 54 Prozent am niedrigsten im ganzen Bundesgebiet. Der Kontrast zwischen Ost und West als auch der sozialen Strukturen in diesen Stadtteilen machen die politische Arbeit in diesem Bezirk interessant, wenn auch nicht einfach. Das meint auch der ehrenamtliche Geschäftsführer der Politikfabrik, Daniel Holefleisch (29): „Für diese heterogene Zielgruppe gibt es kein einheitliches Erfolgskonzept, aber wir haben im Gegensatz zu den Parteien den Vorteil, glaubwürdig zu sein.“

Wie vielfältig kommuniziert wird, zeigen die Plakate der Kampagne. Neben der Viva-Moderatorin Sarah Kuttner und dem Nachwuchsschauspieler Daniel Brühl haben sich auch die nicht gerade für hohes Niveau bekannten Comedystars Erkan & Stefan für die Aktion einbinden lassen. In gewohnter Pose werden sie bald stadtweit von den Wänden schauen und verkünden: „Du hast das Wahl.“ Um zu erklären, was das heißt, starten die Studenten am kommenden Montag eine Tour durch insgesamt zehn Schulen des Bezirks.

Auch die Website soll spielerisch zur Partizipation am politischen Prozess anregen. Neben dem Quiz „Bundesstrip“, wo sich Stoiber und Schröder bei jeder richtigen Antwort eines Kleidungsstückes entledigen, kann der Wahl-o-mat Aufschluss über die fünf großen Parteien geben. Per Mausklick werden die Wahlprogramme verglichen, am Ende entsteht so ein persönliches Wählerprofil. Dabei ist selbst das Ungültigwählen kein Tabu, denn für die Politikfabrik steht nicht das Parteiliche, sondern die Demokratie im Vordergrund.

Kritische Stimmen sind somit mehr als erwünscht, denn „nicht alles liegt an der Apathie der Erstwähler, sondern auch an dem Niveau, auf dem sich die Politik heute befindet“, sagt Anna Bilger.

Ob es zur nächsten Wahl, also der Europawahl im Jahr 2004, wieder eine Schlammschlacht geben wird, hängt von der Leistung der Politikfabrik ab. Das Meinungsforschungsinstitut Forsa wird im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg prüfen, ob sich die Jungwähler durch das Projekt tatsächlich haben motivieren lassen. Anders als der Bundeskanzler werden sich die Studenten also an ihrem Erfolg messen lassen müssen.

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