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Vom Subjekt zum Objekt

Hamburger Fotografen treffen Aussagen über sich selbst. In ungewöhnlichen Ansichten offenbaren „die im Dunkeln“ mannigfaltige Einblicke: Das Altonaer Museum und das Fotoforum Fabrik zeigen 40 eigenwillige Selbstporträts

Bis jetzt waren sie zumeist Täter. Sie waren gewöhnt daran, als Regisseure aus dem Hintergrund heraus zu agieren, Mensch und Materie ins rechte Licht zu rücken. Sie visualisierten Intentionen, eigene oder auch fremde, und bannten diese auf unschuldige Negative. Dabei blieben sie selbst im Hintergrund, und das nicht einmal ungern.

Jetzt haben die Leiter der Ausstellung Selbstportraits Hamburger Fotografen den Spieß einmal umgedreht und 40 Fotokünstler und -künstlerinnen gebeten, sich mit ein und demselben Sujet auseinanderzusetzen: sich selbst. Zugegeben, das Thema des Selbstporträts ist nicht neu in der Geschichte der Fotografie. Doch die Aufgeforderten haben sich – von wenigen Ausnahmen abgesehen – erstmals für diese Ausstellung damit beschäftigt. Die Künstler schlüpften in eine für sie ungewohnte Rolle und fanden sich plötzlich auf der anderen Seite ihrer Kamera wieder.

„Ein Selbstporträt“, erläutert Ausstellungsleiter Dennis Brudna vom Fotoforum, „ist immer auch eine Art Selbsterfahrungsprozess“. Die ausgewählten Fotografen kommen aus allen Bereichen ihrer Zunft: Landschafts- und Porträtfotografie, Reportage, Werbung. Und so facettenreich wie ihre Aufgabengebiete gestalten sie auch die technisch-grafische Umsetzung ihrer Selbstinszenierung.

Die Lösungswege, mit denen sich die Protagonisten der Annäherung an sich selbst stellten, sind so interessant wie vielfältig – ähnlich variabel verhält sich das Maß an Informationen, welches dem Betrachter schlussendlich preisgegeben wird.

Walter Schels übernimmt neben eigenen Buchprojekten vornehmlich Auftragsarbeiten mit dem Schwerpunkt Porträt. Sein Ausstellungsbeitrag, eine durch ihre Ehrlichkeit bestechenende, unprätentiöse Abbildung seines Gesichts in Vorderansicht, zeugt von seinem Hauptansatz: Der Künstler stellt das Erkennen in den Vordergrund seiner Arbeiten. Einen krassen Gegensatz dazu formuliert der selbständige Fotograf Hans Hansen: „Ein Bild, das etwas mit mir zu tun hat, muss mich nicht unbedingt zeigen.“ Er selbst erscheint in seinem Bild nur als auf dem Kopf stehende, verschwommene Figur im Okular seines Arbeitsgerätes, der Kamera.

Volker Hinz, seit 1974 für den Stern tätig, nutzt private Fotos als Bild gewordene Reisetagebücher, sein Selbstporträt entstand in Brasilien: An eine helle Häuserwand geheftet, sehen wir Stiefel, Hose, Oberbekleidung und Kopfbedeckung, daneben lehnt eine Kamera auf ihrem Stativ. Indem er eine Lücke lässt, wo man ihn erwartet, entfacht Hinz hier ein Spiel um An- und Abwesenheit des Künstler-Subjekts.

Jedes Porträt erzählt eine kleine Geschichte – und erlaubt Einblicke in die Perspektiven der Künstler, die das Thema ihren jeweiligen Arbeitsweisen gemäß mal mehr, mal weniger distanziert inszenierten. Corinna Kahl

Di–So 10–18 Uhr, Altonaer Museum; bis 20. Oktober

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