: Alternativen zum Solidarpakt
Wowereit prüft mit seinem Senat Varianten, falls die Gespräche scheitern – und geht dann zu Schröder wahlkämpfen
Wenn der Senat Gewichtiges zu besprechen hat, macht er es wie die Kardinäle bei der Papstwahl: Er zieht sich zurück, schließt die Gitter hinter sich und ist fortan in Klausur. Wie jetzt wieder Donnerstag und gestern, vor allem zum umstrittenen Solidarpakt im öffentlichen Dienst. Anders als bei der Kardinalsrunde stand am Ende kein konkreter Beschluss. Nur andeutungsweise schlägt der Senat eine härtere Gangart in den sich dahinschleppenden Verhandlungen ein. Falls die scheitern, erwäge man einseitige Maßnahmen, hieß es bei der Klausur.
Im Gästehaus in Grunewald erörterte der Senat erstmals Szenarien für den Fall, dass eine Verständigung mit den Gewerkschaften nicht gelingt. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) erklärte, er gehe nach wie vor nicht vom Scheitern der Gespräche aus, es müsse jedoch „Alternativen geben“. Die Fortsetzung der Solidarpaktverhandlungen ist für den 30. September geplant. Bis dahin sollen die Ende Mai vereinbarten zwölf Arbeitsgruppen von Senat, Gewerkschaften und Beamtenbund Schlussberichte vorlegen. Der Senat will mit dem Solidarpakt eine halbe Milliarde Euro Personalkosten einsparen. Die Hälfte davon ist bereits im Haushalt 2003 fest eingeplant.
Bei der Klausurtagung ging es außerdem um die Krankenhausplanung. Berlins Kliniken sollen nach Vorstellung des Senats effizienter werden. Im September erwartet er Vorschläge einer Expertenkomission, wie sich 98 Millionen Euro einsparen lassen. Diese Sparsumme wollte der Senat ursprünglich durch die Schließung des FU-Klinikums Benjamin Franklin erreichen.
Neben der Privatisierung der Bankgesellschaft ging es um die Planung des Großflughafens Schönefeld. Bis Ende August müssen Brandenburg, der Bund und Berlin als Eigentümer der Flughafengesellschaft erklären, ob sie weiter mit einem Bieterkonsortium verhandeln. Dieses besteht aus den ehemals konkurrierenden IVG und Hochtief.
Von der Klausurtagung im Grunewald stieg Wowereit als Regierender Bürgermeister in den Wagen, um wenig später als sozialdemokratischer Wahlkämpfer neben Kanzler Gerhard Schröder auf dem Gendarmenmarkt zu stehen. Die SPD startete dort offiziell in die heiße Phase des Bundestagswahlkampfs. Die Partei sprach von 15.000 Teilnehmern.
Der CDU-Landesvorsitzende Christoph Stölzl hatte Schröder zuvor vor Journalisten Billigung der rot-roten Senatsbildung – „ein Tabubruch“ – vorgeworfen und zog eine Parallele zur Bundesebene. „Wenn Gerhard Schröder die PDS braucht, wird er sie fröhlich benutzen“, sagte Stölzl. Der PDS-Fraktionschef und zukünftige Wirtschaftssenator Harald Wolf hat bereits auf eine mögliche Tolerierung einer rot-grünen Minderheitsregierung hingewiesen. STEFAN ALBERTIROBIN ALEXANDER
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